Zwei Uhr morgens begann ein Gewitter, das bis sechs Uhr andauerte. Gegen Ende wurde der Regen nur noch sehr selten von Blitzen erleuchtet. Den Rest des Tages war der Himmel mittelstark bewölkt.
Wegen des Unwetters zog ich die Tarpeingänge mit den Gummispanngurten zusammen, damit weniger Regen hereinspritzte. Morgens überlegte ich lange, ob ich wegen des Wetters zur nächsten Bahnstation oder weiter nach Trenta fahren sollte. Dabei machte ich im Tarp gemütlich Frühstück und packte zusammen. Als ich dann den Kopf hinaussteckte, war das Wetter ganz erträglich geworden. Also auf nach Trenta!
Der Pfad an dem ich genächtigt hatte, führte über eine steile Böschung auf die Straße - so früh am Morgen so schwer schuften... *ächz* Dann ging es das Tal der Soča entlang; in Italien heißt der Fluss dann Isonzo. In Kobarid kaufte ich Süßkram, ein Stück Pizza, Brot und Wurst und frühstückte auf dem Marktplatz, 09:30 ging es weiter.
Das Tal ist sehr schön, bietet Wasserfälle, Staubbäche und natürlich die Soča, die durch das nächtliche Unwetter ziemlich wild war. Auf einer Brücke über die Soča, von der aus ich gerade den Boka-Wasserfall betrachtete, hörte ich plötzlich Rufe unter mir. Ein Kanute war gekentert. Sei Freund begleitete ihn seinem Boot an Land und setzte dann Paddel und Kanu nach.
An dieser Stelle empfahl mir das Navi eine kleine Straße. Sie war gut asphaltiert, vermutlich einiges kürzer als Hauptstrecke über Bovec, zudem viel weniger befahren. Allerdings passte ich wohl an einer Abbiegung schlecht auf und geriet auf einen Wanderpfad. Der war schmal, hucklig, bucklig und teilweise sehr steil. Zurück auf größerem Weg war eine längere Strecke komplett von Gebirgsbächen unter Wasser gesetzt. Nach kurzen Fahrversuchen durchwatete ich das Stück.
Dann war ich wieder auf Hauptstraße. Viel Touristenverkehr aus D, NL, I, FR, PL, CH, AT,... Auch etliche Radfahrer waren unterwegs, aber weniger als gestern bei den Grotten.
Die Serpentinen waren mit 14% Steigung angegeben - zu steil für mich, um zu fahren.
Einschub: Erst nach dem Urlaub stellte ich fest, dass statt der gewünschten Übersetzung 42/17 beziehungsweise 40/17 42/15 montiert worden war...
Mit etlichen Pausen und Päuschen schob ich also bergauf.
Teilweise lag viel Geröll auf der Straße, an einer Stelle wurde es weggebaggert, eine Fahrspur war wieder frei. Später erfuhr ich von einer Slowenin, dass die Muren von den Regenfällen der letzten Nacht verursacht wurden und die Straße morgens gesperrt war.
Die Frau traf ich bei Kehre 40 auf 1001 Meter über NN, wir plauderten etwas über das Woher und Wohin und den Grund meines Schiebens. Sie kehrte um und fuhr wieder abwärts um ihre Kräfte für morgige Bergwanderung zu schonen.
Zwei Kehren weiter stand ein verlassenes Haus an Straße. Vorn war alles verriegelt zu, hinten stand die Haustür offen. Ein Zimmer war relativ ordentlich. Hier bleib ich! Ich schaffte das Rad rein, improvisierte mit den Gepäckgummis eine Wäscheleine und hängte feuchte Sachen auf. Vor dem Haus gab es eine Quelle und ein Bach stürzte zu Tal, hundert Meter weiter im Wald brauste ein weiterer den Berg herab. An letzterem wusch ich mich. Beim Waschen des Gesichtes mit reichlich Wasser spürte ich erst richtig, wie KALT es war! Wer kennt nicht das Gefühl von Schmerz, wenn man zuviel Kaltes auf einmal trinkt oder sich an einer Kugel Eis verschluckt? Dieser Schmerz mit drei multipliziert ergibt ungefähr meine Empfindungen. Schön, dass der Schmerz langsam wieder nachließ. Der beim gestrigen Sturz leicht lädierte linke Handballen machte sich nicht bemerkbar und hatte nur einen leichten bläulichen Hauch. Der Handyempfang war ziemlich bescheiden. Um Nachrichten verschicken zu können, musste ich es aus dem Fenster halten. Irgendwo im Tal Trenta hatte ich heute den Waschlappen verloren. Nach Abendbrot und frühem Zu-Schlafsack-gehen entfleuchten mir Magenwinde in alle Richtungen und irgendwie war mir komisch. Um zehn rappelte ich mich auf, taumelte mit besockten Füßen über den schmutzigen Fußboden ins nächste Zimmer und kotzte das Abendbrot aus...