Morgens war der Himmel wolkenlos, in Bjelo Polje bedeckt bei 20°C. Hier waren Straßen vom letzten Regen feucht. Auch später bei Rudo war es stark bewölkt.
Nach einer Nacht mit leichtem Schlaf war ich früh aufgewacht. Nach dem Packen (alles war schön trocken) ging es zum Bahnhof von Podgorica - dank OSM-Karte im Garmin kein Problem. Auf dem Weg dahin kam ich an einem übel riechenden Stück Land vorbei. Die Hütten aus unterschiedlichstem Material standen dicht bei dicht, viel Müll lag herum. Darin wühlende Leute sah ich hier nicht zum ersten Mal.
Am Bahnhof wurde mir ein Zug Richtung Bjelo Polje empfohlen, der in zehn Minuten abfahren würde. Ich kannte den Ort nicht; eine Suche im Navi zeigte mir eine Stadt nahe den Plitvicer Seen - näher dran als Bihac. Prima! Dem Zugbegleiter zahlte ich fünf Euro, ein Ticket bekam ich aber nicht.
Bei der Ankunft an der Endstation ist der Ort laut Navi noch immer 370 km entfernt. Was zum Geier..? Es stellte sich heraus, dass es (mindestens) zwei Städte dieses Namens gibt; natürlich war ich in der "falschen" gelandet. Neuer Plan: Den Zug Richtung Belgrad nehmen (Abfahrt 12:30) und in Prijboje nahe der Grenze aussteigen.
Bis dahin hatte ich noch Zeit, also fuhr ich ins Stadtzentrum. Ich bummelte ein bisschen herum und aß zu Mittag: "Italienisches Plini II" mit Hühnerbrust, Käse und Sahne: eine sehr leckere Kalorienbombe! Gegen den Durst gab es ein Bier.
Danach noch fuhr ich für OSM noch 1-2 Straßen ab, dann ging es wieder zum Bahnhof. Leicht verzweifelt stand ich vor den Treppen zum Bahnsteig II. Sollte ich versuchen, das Fahrrad mit allem Gepäck hinaufzuschleppen? Sollte ich das Gepäck abladen und alles einzeln hochschaffen? Zu Beidem hatte ich wenig Lust. Ein freundlicher junger Mann half mir aus der Misere, indem er mit mir zusammen das Fahrrad die Treppen hinauftrug. Am Bahnsteig glaubte ich eine Frau mit Kind und Mann niederländisch sprechen zu hören. Später sprach ich sie an: Sie stammten tatsächlich aus den Niederlanden. Der Mann ist im Dreiländereck Albanien-Kosovo-Montenegro mit Ferienhäusern beschäftigt. Sie waren früher zu zweit mit einer BMW in Albanien unterwegs gewesen - und schon das war teilweise schwierig meinte sie, bezogen auf die Qualität der Straßen.
Die im Fahrplan vermerkte Uhrzeit "12:30" des Zuges war wohl eher die Bereitstellungszeit, die Abfahrt verzögerte sich ziemlich. Ich nahm im 1.-Klasse-Abteil Platz. Wenn ich mich recht erinnere, war die zweite Klasse gut belegt, nachdem ich mein Fahrrad verstaut hatte. Mal sehen, was (wenn überhaupt) folgen würde. Der Zugbegleiter wollte anscheinend, dass ich in die zweite Klasse ging. Die Fahrt würde dann 6,82 für mich kosten ich und 3,00 fürs Rad. Als ich im Kleingeld wühlte, meinte er: "No Ticket, OK?". Ich gab ihm mein Kleingeld (etwa acht Euro), im Gegensatz zum ZUB hatte ich nicht viel gutgemacht; aber er legte keinen Wert darauf, dass ich das Abteil wechselte.
In Prijepolje gab es einen längeren Aufenthalt zwecks Zoll- und Passkontrolle, gegen halb drei ging es weiter. Die Bahnstrecken scheinen hier in Montenegro zu mehr als der Hälfte unterirdisch zu verlaufen. In Prijboje stieg ich aus und überlegte länger, was ich denn nun mache. Schließlich fuhr ich Richtung Grenze los. Die Straße war gut asphaltiert und hatte weder Steigung noch Gefälle.
An den Grenzen von Serbien und Bosnien-Herzegowina wurden jeweils vor mir etliche PKW durchgewunken, ich dagegen "kontrolliert". An der BiH-Grenze war es eine adrette, große und ziemlich wissbegierige Blondine - meine bisher hübscheste Grenzerin.
Dann ging es weiter Richtung Rudo. Ich fuhr kurz durch das Städtchen. Meine kleine Hoffnung auf einen Bahnhof bestätigte sich nicht. Im Zentrum war ein Bus bereit zur Abfahrt - allerdings nur für die zugehörige Touristengruppe aus Bulgarien. Also fuhr ich mit eigener Kraft weiter.
Einmal erkundete ich einen potentiellen Schlafplatz zu Fuß. An und für sich wäre er ganz nett gewesen, abseits von Straße und Siedlungen und nahe am Fluss. Aber den langen steilen Weg dahin hätte ich nur ungern mit dem voll bepackten Rad zurückgelegt. Dann bemerkte ich in einem Tunnel einen großen Quergang - und nutzte die Gelegenheit. Vorteilhaft: trocken, keine Insekten, also brauchte ich nur meine Isomatte auf der Bodenplane ausbreiten. Von Nachteil: Der Lärm der Fahrzeuge im Haupttunnel und der durch sie erzeugte Luftstrom. Durch das andere Ende des Quergangs kam man an einem steilen, dicht bewachsenen Berghang ins Freie. Der durch dieses Tal verlaufende Fluss lag unerreichbar etliche Meter unter mir. Das Lager befand sich auf einer Fläche, die hinter einem etwa zwei Meter hohen Absatz über dem Niveau der Fahrbahn im Haupttunnel lag. Von fahrenden Wagen aus konnte man mich auf keinen Fall sehen. Fußgänger hatte ich nirgends bemerkt, so dass ich mich vor Entdeckung sicher wähnte. Fast blieb mir das Herz stehen, als vermutlich zwei Jugendliche im Haupttunnel - sicher des Echos wegen - herumschrien. Mehr Überraschungen gab es aber nicht.