"Nachtschicht" Ljubljana -> Zubnica
Am Morgen herrschte dichter Nebel, aber die Toiletten für die Festivalteilnehmer fand ich glücklicherweise trotzdem. Am Vortag wollte man sie mir nicht zeigen, sondern führte mich ins Bad im Haus des Veranstalters. Dann ging ich zu der überdachten Terrasse, die als Tempelraum diente. Bis sieben Uhr wohnte ich dem Chanten und Tanzen bei, danach sollte man sich der persönlichen Meditation widmen. Ich kümmerte mich um mein Sachen und trug das Tagebuch nach. Dann half ich bei Küchenarbeiten: Kartoffeln schneiden, Kraut schneidfertig machen und Datteln putzen bis ich aufgefordert wurde, doch die lesson zu besuchen.
Erst gab es wieder Gesang und Tanz, dann einen Vortrag über die bedeutendste Persönlichkeit der Bewegung: Prabhupada. So einiges fand ich bemerkenswert:
Jetzt war es viertel vor zehn und Zeit zum Frühstück. Im Anschluss brach ich auf und kam etwa zwanzig Meter weit - bis zum Infostand des Festivals: dort waren etliche bepackte Fahrräder abgestellt. Eine Gruppe kam aus Großbritannien, zwei Männer aus Polen. Letztere waren auf einer "kleinen" Europarundreise. Die Briten erzählten, dass sie am Vortag mit üblen Waldwegen gekämpft hatten. Einer, der mit sehr schmalen Reifen unterwegs war, hatte öfter flicken müssen und war im Dorf auf der Suche nach einem neuen Schlauch. Das Problem war bald gelöst und die Briten brachen auf. Die Polen (besonders der eine) wollten noch eine Weile bei dem Festival bleiben.
Ich startete gegen Mittag und fuhr zügig ohne größere Pause bis Olmin. Am Bahnhof stand schön passend ein Zug nach Zagreb auf dem Gleis. Mitfahren mit Fahrrad - nicht möglich! Die weibliche Zugbegleiterin war da sehr resolut. Vielleicht musste sie sich beweisen? Im Bahnhof erhielt ich die Auskunft, dass der nächste Zug nach Zagreb 16:25 fahren würde, Fahrradmitnahme sei möglich. Der Anschluss von Zagreb nach Ljubljana würde gegen ~21:30 fahren, Tickets seien im Zug zu lösen. Als es soweit war, machte der ZUB ein Problem daraus, holte eine Person, die dolmetschen konnte. Schließlich schrieb er Tickets für das Fahrrad und mich - 82,90 Kuna (29,- fürs Rad). In meinem Abteil saß ein junges Paar bahnreisender Franzosen, die passabel englisch sprachen und sich die Zeit mit einem selbstgebastelten Brettspiel vertrieben.
Nach der Ankunft in Zagreb hievte ich das Fahrrad die Treppen abwärts in den Fußgängertunnel. Hier ließ ich es erstmal stehen und schaute nach, auf welchem Gleis der Zug nach Ljubljana abfahren würde: Gleis 2. Dort war ich auch angekommen. *seufz* Ich kaufte eine Fahrkarte nach Ljubljana für 101,84 Kuna; zu Fahrradmitnahme konnte oder wollte die Dame am Schalter nichts sagen außer: "Ticket - train!" (Fahrschein - Zug!). Die hinter mir stehenden Franzosen waren nicht erfolgreich bei dem Versuch, zwei Sitzplätze für einen Zug in Ungarn zu reservieren. Danach schleppte ich das Fahrrad wieder auf Perron 2.
Mit GPS, Kamera und Geld machte ich einen klitzekleinen Stadtbummel. Was ich von der Stadt sah war recht hübsch. Für ~50 KN kaufte ich in der Hoffnung ein, dass die übrigen 30 KN fürs Fahrradticket reichen: 3 Dosen Pastete, eine große Rolle Kekse mit weißer Creme, Thunfisch, Brot. Dann ging es zurück zum Bahnhof, Einkauf verstauen und mit Waschzeug zur Toilette. Dort wusch ich T-Shirt und mich, so gut es ging. Danach aß ich Abendbrot am Bahnsteig - mein zweites Essen an diesem Tag, wenn man das kleine Beutelchen Süßigkeiten vom Hare-Krishna Festival (¼ Handvoll) nicht mitzählt.
Als ich Tagebuch schreiben wollte, wurde der Zug schon bereitgestellt. Ich verstaute Fahrrad und Gepäck und setzte mich in ein Abteil. Schon kam der ZUB und fragte, ob das mein Fahrrad sei. - Ja - Ich müsse ein Ticket kaufen - wenn wir fahren. Was es koste? - 17 KN. Um das restliche Geld zu verbraten, ging ich noch schnell in den Konzum am Bahnsteig: 2x Spekulatius (lecker! und das mitten im Sommer) für ~14 KN und 4 kleine Bananen für ~4,50 KN. Das Geschäft war schon überm Schließen, trotzdem kamen noch etliche Kunden herein.
Zurück am Zug fand ich das Fahrrad nicht mehr. Was zum... Die Abteile waren auch auf der falschen Seite. War der Zug gedreht worden? Ich lief ans andere Ende; der Schlafwagen stand noch am alten Platz, also war ein Waggon angehängt worden. Da das Rad nun mitten im Zug im Durchgang stand, schaffte ich es erneut ans Ende des Zuges. Die Durchgangstür, an der das Fahrrad gestanden hatte, ließ sich aber trotzdem nicht öffnen. Zurück im Abteil fand ich drei ältere Bosnien-Herzegowiner vor: zwei Männlein, ein Weiblein. Gibt bei Weitem Schlimmeres. :) Kaubonbons machten die Runde, die noch halbvolle Tüte bekam ich.
Beim Grenzübertritt im Zug wollte der slowenische Grenzer mir meinen Pass zurückgeben. Mit einem Zwinkern fragte ich leicht enttäuschten Tones, ob es denn keinen Stempel gebe? Amüsiert drückte er einen hinein, bevor er ihn zurückreichte. Ein slowenischer ZUB kontrollierte die Fahrscheine. Zum Fahrradticket meinte er "This is croatian!" (Das ist kroatisch!). Ich musste ein slowenisches Ticket für 3,20 EUR lösen, hatte aber nur noch 20 NM aus BiH. Die Dame war so nett, mir diese in 10 Euro umzutauschen; der Ticketkauf war dann kein Problem. Ich fragte mich, warum der Fahrschein für meine Person weiterhin galt...
Etwa eine Stunde vor Mitternacht erreichte der Zug Ljubljana. Übernachten wollte ich außerhalb der Stadt, also bepackte ich das Rad und fuhr los. Das nächste Ziel war die südwestlich gelegene Gegend um Cerknica, wo ich ein paar Grotten besichtigen wollte. An einem Automat holte ich Geld, bei einer Tankstelle hielt ich ein Nachtmahl, dann hatte ich die schläfrig wirkende Stadt verlassen.
Dank der OSM-Karte durfte ich ein paar Extrameter fahren, weil ein dort eingetragener Weg mittlerweile so zugewachsen war, dass man nicht weiterkam. In der ländlichen Gegend tat ich mich im Dunkeln schwer, einen geeigneten Rastplatz zu finden. Am liebsten hätte ich etwas Überdachtes gehabt, weil seit einiger Zeit Wetterleuchten zu sehen war und ich wenig Lust hatte, mitten in der Nacht das Tarp aufzubauen.
Auf einem Supermarktparkplatz wollte ich die Laderampe der Zufahrt auf Schlafplatztauglichkeit prüfen, als mir eine noch geöffnete Kneipe auffiel. Dort wurde ich sehr freundlich begrüßt, obwohl man eigentlich schließen wollte. Ein Bier bekam ich als Fernradler ausgegeben. Zu meinem großen Glück wurde ich schlussendlich noch eingeladen, bei Mira, dem angeheitertsten der drei letzten Insassen zu übernachten. Er fuhr mit seinem schicken alten Wanderer-Fahrrad in großen Bögen mit mir im Schlepptau nach Haus. Nach einer Dusche fiel ich mit meinen Schlafsack auf die Couch.