Morgens war der Himmel bewölkt, später bedeckt. An der Grenze schien die Sonne, gegen halb vier gab es den ersten Regenguss seit Wochen. Danach klarte es wieder auf.
Zum Zeitpunkt des Sonnenaufgangs schaffte ich es nicht zu Oxia. Dank der dicken Wolkenbank über den Bergen auf der anderen Seite der Schlucht konnte ich trotzdem so tun als ob. :-) Die Sonne schaute nur kurz durch die Wolken. Die Aussicht - und diesmal auch die Stille - war berückend.
Auf dem Rückweg sah ich eine alte Frau in schwarzer Kleidung am Straßenrand sitzen. Bei sich hatte sie Beutel mit leeren Plastikflaschen. Woher kam sie in dieser menschenleeren Gegend? Wollte sie Wasser holen? Da ich gestern mehrere Zisternen in dieser Gegend gesehen hatte war zu vermuten, dass es hier, wenn überhaupt, nur wenige Quellen gab. Von meinem Wasser wollte sie nichts...
Leicht irritiert fuhr ich weiter. Am oberen Ende von Vitsa frühstückte ich und genoss dabei den weiten Blick über das Lakmos- und das Tymfi-Massiv im morgendlichen Dunst.
Danach erfreute ich mich an der hart verdienten, schönen langen Abfahrt. In Kalpaki, dem letzten größeren Ort vor der Grenze, kaufte ich nochmal ein. Nachdem ich ergebnislos nach einem Internetcafé herumgefragt hatte, durfte ich den Laptop eines Café-Betreibers benutzen. Auf dem Blog veröffentlichte ich ein Lebenszeichen, von den GPS-Geräten sicherte ich die Daten, auf dem Garmin kopierte ich die Karten um. Ich hatte einen Satz für Griechenland angelegt und einen für Ex-Jugoslawien. Davon nutzte ich jeweils nur einen, um das Navigationsgerät nicht langsamer als nötig zu machen. Außerdem wurde wahrscheinlich bei dieser Gelegenheit der USB-Stick mit einem Virus beglückt, wie ich später feststellte. Nebenbei aß ich ein im Café gekauftes belegtes Brötchen. Als ich noch eins für unterwegs kaufte, schenkte mir der Inhaber ein zweites und eine Flasche Mineralwasser dazu. Ich dankte sehr herzlich und verabschiedete mich.
Nun ging es wieder bergauf, diesmal gab es pultförmige Berge zu sehen. Der Übergang an der Griechisch-Albanischen Grenze war auf der Garmin-Karte zu weit westlich eingetragen.
Nach Albanien hinein fuhr ich bergab in eine beeindruckende Ebene. Im Westen wurde sie von den pultförmigen braunen, von Bränden teils schwarzweiß marmorierten Hängen der Mali i Gjerë begrenzt. Nur um die darauf verstreuten Dörfer sah man Grün. Im Osten ragten die schrofferen Lunxhëria-Berge auf. Hier sah ich die ersten der kleinen Ein-Mann-Bunker, von denen ich so viel gelesen und gehört hatte. Es gab wenig Bäume, nahe der Europastraße gab es auch sonst wenig Schatten. Plötzlich war vor mir ein Stau und Polizei zu sehen. Was war hier los? Dann sah ich viele Autos am Straßenrand stehen, die Polizei den Verkehr regeln - und hörte laute Musik.
Es wurde bei einer Kapelle ein kleines Fest zu Ehren einer griechischen Heiligen gefeiert mit griechischer Musik und griechischem Tanz. Bei einem der zahlreichen Grillstände kaufte ich mir eine Wurst, später einen Fleischspieß und ein Bier. Die Verkäuferin war so entgegenkommend, meine Euromünzen anzunehmen. Gelegenheit zum Geldwechsel hatte ich noch keine. Zwei junge Männer - Nikola und Alexander - sprachen mich an, fragten nach dem Woher, Wohin, erklärten mir einiges und "halfen" mir beim Tanz. Mit meine Rad war ich eine Attraktion, es gab sogar Beifall, Willkommensrufe; viele schüttelten mir die Hand. Nach einem Regenschauer herrschte allgemein Aufbruchstimmung, der ich mich anschloss. Trotz teilweisem Gegenwind kam ich weiter zügig voran und wurde noch etliche Male von Besuchern des Festes überholt und hupenderweise gegrüßt.
Eingangs Gjirokastra sah ich zur Rechten eine alte Steinbrücke. Kaum hatte ich gehalten um sie zu fotografieren, da kamen zwei junge Männer auf mich zu, die gerade noch einen LKW gewaschen hatte. Sie wahrten wenig Distanz, so dass mir ganz anders wurde. Sie waren aber so offen und freundlich, dass ich keine Bedenken hatte, mein Fahrrad stehen zu lassen, um die Brücke zu überqueren und diese von der anderen Seite zu fotografieren. Mangels Sprachkenntnis auf beiden Seiten konnten wir uns aber schlecht verständigen.
In der Stadt entschied ich mich, den Berg Richtung Burg zu erklimmen. Bald wurde es so steil, dass ich nur noch schiebenderweise voran kam. Hier in der Altstadt waren die Straßen nicht mehr asphaltiert sondern gepflastert. Nachdem ich in einem kleinen Laden ein paar Lebensmittel erstanden hatte war ich kaum ein paar Schritte gegangen, als ich auf englisch angesprochen wurde - ob ich Rad nicht hier parken wolle, zur Burg geht es "straight uphill" (stracks bergauf). Nach kurzer Überlegung nahm ich das Angebot an.
Die Burg war groß, abenteuerlich, lag teilweise in Trümmern, etliche Gänge waren unbeleuchtet: Ich fand es toll. Nicht so sehr das Waffenmuseum in der Burg, aber den teils verfallenen Rest. Ein Schild war aufgestellt, dass man abseits der beschilderten Wege auf eigenes Risiko unterwegs ist, verwehrt wurde der Zutritt nicht: Sehr schön! Ein Beweis, dass man die Besucher noch als mündige Personen wahrnimmt. Das US-amerikanische Flugzeug, dass zu kommunistischen Zeiten in Albanien zur Landung gezwungen wurde, war noch immer ausgestellt. Als ich - wieder daheim - Fotos davon bei Wikimedia Commons betrachtete war gut zu sehen, wie es im Lauf der Zeit gefleddert wurde.
Zurück beim Fahrradparker Chris(topher) erhielt ich eine Restaurantempfehlung, nachdem er mir Möglichkeiten zum Übernachten genannt hatte. Meine Wahl fiel auf ein Hotel in der gleichen Straße, das einst viel bessere Tage gesehen hatte. Für preiswerte acht Euro hatte ich ein Zimmer mit Balkon; die Dusche mit WC lag einen Flur weiter. Wenn auch verschlissen, war alles ordentlich und sauber; kein Vergleich mit Ouranoupolis.
Ich duschte, zog mich um und genoss in dem Restaurant ein wunderbares Essen. Mit Chris und einem seiner Bekannten saß ich noch lange vor seinem Geschäft. Dabei trank ich zwei große und ein kleines Bier aus dem Imbiss gegenüber, später aßen wir noch eine Kleinigkeit. Kurz vor dem Arabischen Frühling hatte er mit seiner Freundin Ägypten durchradelt; auch deswegen habe er Sympathie mit Reisenden - besonders mit denen mit Rad. Wir verabredeten uns für den nächsten Vormittag, dann ging ich zu Bett.