Der Morgen war frisch und idyllisch. Im Tal, durch das ich fuhr, lagen abgeerntete Felder eingerahmt von Bäumen am Flusslauf. Durch das dichte Grün drangen das Glockenläuten einer Kuhherde und die Rufe der Hirten. Da es ständig bergauf ging, wurde mir trotz der morgendlichen Kühle schnell warm. Bald fuhr ich wieder mit freiem Oberkörper - und Kopfbedeckung.
Etliche Steigungen erklomm ich schiebend und genoss dabei die Landschaft in vollen Zügen. Dann war ich in dem Dorf Agnantiá: Das Willkommensschild war in Griechisch, Englisch und Deutsch gehalten. Am Ortseingang stand eine schmucke Kapelle, auf einer baumbestandenen Wiese mit Picknick- und Grillplatz. Wasser gab es trotz herumliegender Schläuche nicht. Ich frühstückte hier, dann fuhr ich weiter durchs Dorf.
Der erste Mann den ich traf, sprach mich auf Deutsch an. Es ging wieder ums Woher und Wohin, dann wurde ich auf einen Kaffee eingeladen, dazu gab es Birnen aus dem Garten. Des Mannes Bruder, die Tochter und die Frau waren auch dabei, der Sohn kam später dazu. Die Familie war aus Ioannina und verbrachte hier die Sommerferien. Im Dorf habe auch ein Deutscher ein Haus. Ich konnte auch mein Wasser auffüllen und dabei gleich noch eine Katzenwäsche machen. Zum Abschied erhielt ich Tomaten und Gurken, die extra für mich frisch gepflückt wurden.
Dann irrte ich durch Dorf, unfähig, dessen richtiges Ende zu finden. Ich fragte nach dem Weg Richtung Diakos, dem laut Karte nächsten Dorf an der Strecke. Wieder wurde ich zum Kaffee eingeladen, den ich diesmal aber dankend ablehnte. Es ergab sich eine längere Beratung mit Nachbarn und ins Englische übersetzenden Kindern: Es gebe keinen Weg dahin, das Dorf Diakos sei unbewohnt, außerdem müsse ich durch den Wald und dort gäbe es Bären...
"Unbewohnt" machte mich natürlich noch neugieriger, aber da ich mich hier nicht verständlich machen konnte, fuhr ich zurück zum ersten Gastgeber. Warum hatte ich hier nicht gleich nach dem Weg gefragt..? Nach längerer Beratung wurde schließlich Hilfe von einer Nachbarin geholt, deren Mann im Wald arbeitet. Mir wurde eine Karte skizziert und die Kinder bis zum Ende des Dorfes mitgeschickt. Von der Nachbarin hatte ich ebenfalls Gurken und Tomaten erhalten.
Dank der Hilfe fand ich den unbefestigten Weg. Kurz nach dem Dorf kam alter Mann entgegen, der mich sehr überschwänglich grüßte. Teilweise war der Staub knöcheltief, teilweise führte der Weg steil bergan, so dass ich lieber schob. Einmal sah ich ein paar Hunde und den dazugehörigen Bauer.
Später mittagte ich im Schatten einer Kapelle im Nirgendwo. Kurz nach Aufbruch auf den Weg meiner Schätzung kam mir eine Ziegenherde entgegen. Den Hirt fragte ich nach dem Weg nach Diakos, den er mir ausführlich und mit großen Gesten schilderte. Beim Weiterfahren hörte ich zum wiederholten Mal ein komisches Geräusch hinter mir. Diesmal nahm ich mir die Zeit, nach der Ursache zu forschen. Es stellte sich heraus, dass die Schraube der linken Gepäckträgerstütze nur noch von der Packtasche gehalten wurde. Nach dem erstmaligen Einsatz des Werkzeugs ging es weiter.
Obwohl ich glaubte, den Hirt richtig verstanden zu haben, erreichte ich nach langer Zeit eine Asphaltstraße, ohne dass ich die Spur einer Siedlung gesehen hätte. Nur die kargen, verstreuten Felder in den Bergen zeugten von menschlicher Tätigkeit in dieser Gegend. Natürlich folgte ich der Asphaltstraße bergauf. Irgendwie war mir nicht ganz geheuer: die Straße war mit gutem Asphalt befestigt, aber aus Rissen wuchs Unkraut meterhoch, an manchen Stellen nahmen Sträucher die Hälfte der Straße ein. Ich war gespannt, wohin ich gelangen würde.
Die Straße endete auf dem Gipfel des Berges vor einem stacheldrahtumzäunten Areal. Innerhalb des Zauns befanden sich ein Haus und ein augenscheinlich sehr weitläufiger Unterstand oder offener Bunker. Nach einer kleinen Pause genoss ich die verdiente Abfahrt. Da ich wenigstens 50 Kilometer schaffen wollte, fuhr ich bis 18:30 Uhr; die letzten Kilometer wieder über eine grob geschotterte Huckelpiste. Das Lager schlug ich in einem spärlichen Wäldchen zwischen Feldern ein paar Kilometer vor Despotis auf. Im letzten Ort vor dem Abzweig Richtung Despotis hatte ich zur Belohnung für mein Tagwerk noch zwei Dosen Softdrink und Amstel-Bier gekauft.