vor der Abfahrt Hafen Ouranoupolis
Zelle Timios Prodromos - Kirche
holprig gepflasterter Weg im Grünen
schattiger Pfad mit historischem Pflaster
morgens nur wenige Wolken im Westen
Ich erwachte früh, machte Toilette, packte zusammen und ging kurz nach draußen. Auf der Hafenmole sah ich Leute stehen und dachte: Am Besten mal so tun, als ob ich mit dem frühen Boot fahren könnte.
Also zurück zur Pension, Gepäck hinterm nie besetzten Empfangstresen verstaut und die Wirtin herausgeklopft (hab sie vermutlich geweckt). Sie wollte den Pass am Vortag unbedingt haben und meinte, dass es kein Problem sei, ich bekäme ihn schon wieder. Für mich war es kein Problem, dass sie zeitig aufstand. :-) Ich zahlte auch gleich meine Zeche: 40 (!!) Euro für das reizende Zimmerchen (ohne Frühstück natürlich).
Dann schaute ich beim Pilgerbüro vorbei: entsprechend den Öffnungszeiten (7:30-13:00) geschlossen. 6:33 war ich am Hafen und konnte der "Agia Anna" beim Ablegen zuschauen. Ohne Diamonitirion wäre Mitfahren vermutlich sinnlos. Fraglich, wie man bei der restriktiven Diamonitirion-Ausgabe (Aushändigung am Tag der Einreise) auf die 6-Uhr-Fähre gelangen kann, wenn das Pilgerbüro erst 7:30 öffnet... Der Zeit"verlust" bei der Ankunft in Daphni im Vergleich zu dem 08:00 ablegenden Schnellboot betrug laut Fahrplan erträgliche 40 Minuten.
Beim Einschiffen mit dem Schnellboot stand natürlich ein Mann am Zugang und hakte Reservierungen auf einer Liste ab, ich durfte aber auch mitfahren. Ziemlich pünktlich legte die "Mikra Agia Anna" ab. Während der Fahrt habe ich teilweise gedöst, teilweise Agion Oros und die Klöster betrachtet. Der Fahrschein für 12,50 wurde ebenfalls unterwegs gelöst. Mit nur vier Minuten Verspätung erreichten wir Daphni.
In einem der Souvenirgeschäfte erstand ich schnell einen als Wanderstab deklarierten Stock für 7 Euro - also halb so teuer wie in Ouranoupolis. Dann ging es in einem 14sitzigen Bus nach Karyes. Auf der unbefestigten Straße herrschte reger Verkehr, der Busfahrer fuhr recht sportlich. Beim Aussteigen zahlten wir für die Fahrt etwa 5 Euro.
Ich war etwas überrascht von dem relativ weltlich scheinenden Treiben. Man sah - zumindest auf den ersten Blick - nicht viel von dem "Leben wie vor 1000 Jahren in Byzanz", wovon man auch in aktuellen Beschreibungen des Athos liest. In Karyes schaute ich mich kurz um - und sah an einem Brunnen einen herrenlosen Wanderstab stehen...
Dann wanderte ich los Richtung Triades. Allerdings hatte ich bei der Vorbereitung nicht acht gegeben und den POI falsch lokalisiert. Das fiel mir aber erst nach geraumer Zeit auf. Vorerst genoss ich es, wieder allein unterwegs zu sein. Dazu kam die fremde Umgebung mit der schönen Landschaft. Unterwegs traf ich einen Mönch, der offenbar die Stöpsel eines MP3-Players in den Ohren hatte. Er kam nur langsam voran, weil er alle großen Steine mit den Füßen vom Weg räumte.
An einer Kreuzung, deren Wegweiser mir alle nicht gefielen, machte ich eine Rast und aß Pflaumen und Kirschen, die dort wuchsen. Nach einer Tafel Schokolade, die ich vor der Abfahrt des Schnellbootes gegessen hatte, war das bereits meine zweite Mahlzeit. Ich entschied mich umzukehren und traf kurz darauf einen weiteren Mönch, der am Wegrand Kräuter schnitt. Auf dem Rückweg begegnete ich wieder dem MP3-Mönch.
Wieder auf der Haupt"straße" hielt ich den Daumen raus, als ein Jeep des Weges kam. Der Mönch hinterm Steuer wollte nach Karyes und war bereit, mich mitzunehmen. Es saß noch ein Junge im Auto: kein Novize, wie ich vermutete, sondern er wollte einen Verwandten besuchen, der als Mönch in einem Kloster in Karyes lebte.
Informationen, die ich von dem Fahrer erhielt: der Straßenbau begann vor rund 25 Jahren wegen der damals angeschafften ersten Autos. Jetzt gibt es seiner groben Schätzung zufolge 100 oder mehr Kraftwagen auf Athos.
Am Anfang von Karyes stieg ich aus. Auf dem Weg in den Ort entdeckte ich sogar einen "Hardwarestore", in dem es Stihl-Motorsensen, Keilriemen und alles mögliche Andere gab. Dann wanderte ich wieder zu dem Brunnen mit dem herrenlosen Wanderstab, um mich zu erfrischen und Wasser aufzufüllen. Per Handy rief ich im Kloster Filotheos an: eine Übernachtung war möglich. Dann brach ich zum zweiten Mal von Karyes auf.
Zufällig entdeckte ich noch in Karyes eine Bäckerei, in der ich eine sehr gut schmeckende Blätterteig-Spinatschnecke für 1,40 kaufte und den deutschen Backofen fotografierte. Die Schnecke teilte ich mit einer scheuen Katze, die beim Anblick beziehungsweise dem Geruch von Essen angelaufen kam, sich aber kaum anfassen ließ.
Kurz nach Karyes bekam starkes, anhaltendes Nasenbluten. Schließlich stopfte ich das Nasenloch zu und spuckte das fortwährend Blut aus... Nach einiger Zeit ließ es nach. Die großen Straßen, die ich entlang wanderte, waren in jetzt erodierende Hänge getrieben. Verschiedene Male hörte ich das Geräusch von Motorsägen.
Dies ließ mich über den Rattenschwanz sinnieren, den man durch die Anschaffung von Bequemlichkeiten in Kauf nimmt, insbesondere bei Kraftfahrzeugen. Wenn Kfz auf einem bis dahin völlig unberührten Territorium eingeführt werden, muss sichergestellt werden, dass man überhaupt vorwärts kommt. Dazu braucht es - gerade in sehr bergigem Gebiet wie dem Athos - befahrbare Wege, die mit erheblichem Aufwand gebaut und instand gehalten werden müssen. Der kontinuierliche Nachschub von Treibstoff muss organisiert werden. Man muss die Fahrzeuge reparieren, die durch die schlechten Wege öfter Defekte bekommen...
Ansonsten bewunderte ich die grandiose, wunderbare Landschaft und Aussichten. Teilweise ging ich auf Wegen, denen man ihre lange Geschichte ansah.
Herrlich!
Alle paar Meter blieb ich stehen, um die Gegend zu bewundern und übergenug Fotos zu machen.
Angekommen am Kloster Filotheos wusch ich mich erst einmal gründlich an einem Brunnen und trank einige Becher Wasser. Dann ging ich in den Innenhof und wurde freundlich begrüßt. Ich solle bitte außen vor dem Katholikon warten, bis die Messe beendet sei, dann würde man sich um alles Weitere kümmern. Auf der Holzbank gegenüber dem Eingang ruhte ich aus, horchte dem Gemurmel der Liturgie, sah einige Mönche hin- und her huschen, beobachtete, wie andere den Raum betraten, nachdem sie die die davon verfärbten Ikonen auf beiden Seiten der Tür geküsst hatten.
Dann verließen die Mönche das Katholikon. Der voranschreitende weißhaarige Mönch begrüßte mich. Ein anderer, der einen sehr sanftmütigen Eindruck machte, sprach mich auf Deutsch an und übersetzte. Man wollte wissen, aus welchem Land und welcher Stadt ich komme und welchen Glaubens ich sei.
Nach der Begrüßung wurde mir die Schlafstatt gezeigt: in einem Zimmer mit fünf weiteren Betten, aber mir als einzigem Gast. Später sah ich, dass nebenan ein weiteres Zimmer voll belegt war. Die Toiletten großenteils "arabisch": ein Loch im Boden. Eine Dusche war aus einem Toilettenabteil hergerichtet worden, indem es mit Wasserhahn und Schlauch versehen worden war.
Mir war gesagt worden, dass ich zu Abend essen könne, wenn die Mönche fertig gespeist hätten. Ich vertrieb mir die Zeit derweil in der Gästebibliothek, als der deutsch sprechende Mönch zu mir kam und mich zum Abendessen bat.
Es gab Linsen, dazu eine mir unbekannte Speise in kleinerer Schale, grobes Brot, einen Pfirsich und Wasser. Das Essen war ausreichend und gut. Ich wüsste gern, warum manche Athos-Reiseführer meinen, dass man ob der kargen und ungewohnten Ernährung in den Klöstern unbedingt selbst Nahrungsmittel mitführen müsse. (Auch in den anderen Klöstern konnte ich nicht über mangelhaftes Essen klagen.)
Bei der Begrüßung hatte ein Mönch (auf englisch ) bedauert, dass ich nicht orthodoxen Glaubens sei und gefragt, ob ich an "icons" glaube. Ich dachte aber an kleine Grafiken und nicht an Ikonen, wie er sie im Sinn hatte. Jedenfalls antwortete ich etwas Unverbindliches. Dieser Mönch kam mir jetzt auf einem Gang entgegen und überreichte mir eine gebrannte CD.
Die ganze Reise überstand sie unbeschadet; daheim sichtete ich ihren Inhalt: viele Fotos von Ikonen und orthodoxen Stätten in aller Welt, dazu Tondateien mit Gesängen und Gebeten von Mönchen.
In der Bibliothek hatte ich Richard getroffen, der mir vom Ansehen her schon aus dem Schnellboot und dem Bus nach Karyes bekannt war. Mit dem Bus war er von Karyes nach Filotheos gefahren.
Er ist Lehrer für Religion und Ethik in London und aus ähnlichen Gründen wie ich auf dem Athos unterwegs. Als ich erzählte, dass nach Möglichkeit auf den Berg Athos steigen wolle, war er hingerissen von der Idee und wollte mich begleiten. Wir verstanden uns gut; ich freute mich über die Begleitung für die nächsten Tage.