Morgens gab es nur vereinzelte Wölkchen, aber alles war nass vom Tau. Gegen zehn Uhr sah man Wolken nur am Horizont - abends desgleichen.
Beim Packen gab der Tau in Kombination mit dem Sand eine ziemliche Sauerei. Nach einigem Geeier durch den tiefen Sand der Wege war ich wieder an der Neubaustrecke - unter einer Brücke, ohne Zufahrt zur neuen Straße. Mit enormer Anstrengung hievte ich das Fahrrad mitsamt Gepäck zentimeterweise die Böschung hoch. Bald endete der Asphaltbelag wieder, später die ganze Straße. Ich staunte nicht schlecht.
Über parallel verlaufende Feldwege fand ich zur Hauptstraße Richtung Fier. An einer Tankstelle füllte ich Luft nach. An einer anderen machte ich eine kleine Wäsche, frühstückte und unterhielt mich ein wenig mit der Putzfrau. Zwei junge Männer befüllten Plastikflaschen mit Wasser aus einem Schlauch. Als ich weiterfahren wollte, winkten sie mich heran und erklärten, dass das Wasser von der Toilette nicht gut sei und füllten mir meine Wasserflaschen.
Die Straße Richtung Fier war stark frequentiert. So viele geschmückte PKW in mehreren Kolonnen wie hier hatte ich noch nie gesehen. Der Verkehr in der Stadt war leicht abenteuerlich. Dank der OSM-Karte im Navi fand schnell zum Busbahnhof. Ich hatte noch kurz Zeit, etwas zum zweiten Frühstück zu kaufen, schon saß ich im Bus nach Tirana. Da ich noch viel Strecke vor mir hatte, aber nur relativ wenig Zeit, musste ich wohl oder übel ein paar Strecken motorisiert zurücklegen. Normalerweise kostet die Fahrt 300 Lek - etwa 2,20 EUR. Für das Fahrrad zahlte ich 200 extra. Für die Strecke von 110 km fand ich das durchaus angemessen.
In Tirana stieg ich an einer Anschlusslinie nach Shkodra aus, aber ich überlegte es mir anders. Nach einer kleinen Runde durch Tirana wollte ich in Kruja die Burg des Nationalhelden Skanderbegs und den historischen Basar besuchen.
In Tirana sah ich meine ersten Ampelkreuzungen in Albanien - und deren kreative Benutzung. Falls die Ampeln in Betrieb sind und rot zeigen aber Querverkehr staut, wird trotzdem gefahren. Warum auch nicht? Allgemein scheint man mit der Aufmerksamkeit der anderen zu rechnen. Ein paar der befahrenen Wohnstraßen entsprachen teilweise übelsten Feldwegen. An einigen Ecken lag viel Müll herum.
Bei einem Fast-Food-Imbiss aß ich den ersten Teil meines Mittagessens. Dann kaufte ich in einer Bäckerei diverse Kekse, ein (wie sich herausstellte) flaches rundes Maisbrot (lecker!), zwei gekühlte süße Irgendwasse (sehr lecker) und ein Eis mit drei Kugeln. Das Eis und eins der Irgendwasse aß ich sofort. Etwas später kaufte ich noch vier Bananen und eine Sprite, in Fushe Kruja dazu einen halben Liter Bier.
Unterwegs gab es etliche interessante Gefährte zu sehen; auch eine Brücke, die auf 2,20m Breite beschränkt worden war, aber im Dauerbetrieb wechselseitig befahren wurde. Die Strecke bis Fushe Kruja war flach und schnell zurückgelegt. Richtung Kruja ging es stetig bergauf, was natürlich etwas mehr Schweiß kostete.
In Kruja übersah ich einen unbeschilderten "Abzweig" und machte ein paar Höhenmeter umsonst. Zur Burg Skanderbegs fand ich trotzdem, nachdem ich ein paar in einem Café sitzende Polizisten nach dem Weg gefragt hatte. Die Ausdehnung des historischen Viertels war für mich beeindruckend. Dazu kommt, dass die meisten der Gebäude, die nicht musealen Zwecken gewidmet waren, noch bewohnt und bewirtschaftet werden. Am Weg zur Burg fanden sich etliche Händlern, die Brauchbares und Krimskrams von Teppichen über Bekleidung und Schnaps bis zu Gipsfiguren anboten. Den alten Basar, zu Enver Hoxas Zeiten nach historischem Vorbild restauriert, fand ich aber reizvoller. Bis auf einen Verkäufer auf der Burg wollte mir niemand etwas aufschwatzen.
Da es schon spät wurde, machte ich mich auf die Suche nach einem Schlafplatz. Bereits bei der Fahrt bergauf hatte ich ein größeres Gewässer gesehen, das ich jetzt erreichen wollte. Von der Hauptstraße bog ich in ein Dorf ab und folgte einem Feldweg, der immer mehr an Kontur verlor. Bald war er zu beiden Seiten dicht bewachsen und Brombeerranken hingen über den Weg. Schließlich kam ich doch am Gewässer an, das sich als kleiner Stausee entpuppte. Auf einem Weg, der durch einen kleinen Landrutsch blockiert war, schlug ich mein Lager auf, das wieder herrlich gelegen war. Ich hatte einen schönen Blick auf den Kruja-Berg mit der Stadt, ein paar vorgelagerte Hügel und einen enorm dreckschleudernden Schornstein.
Ein Schafhirt, der seine Herde um den See trieb, schaute bei mir vorbei. Sprachlich konnten wir uns kaum verständigen, aber er schaute interessiert zu und bot mir eine Zigarette an. Ich dankte und arbeitete lieber am Lager. Um das Moskitonetz aufzuspannen, band ich wie immer bei solcher Gelegenheit die Schnur um eine volle Wasserflasche und warf diese über einen Busch, der etwa sechs Meter über meinem Lager auf der Böschung wuchs. Die Schnur blieb nirgends hängen, die Flasche schlug mit Schwung auf dem Boden auf, die Kappe und der Boden platzten weg. Toller Vorführeffekt! Bisher war mir so etwas noch nicht gelungen.
Nachdem das Lager gerichtet war, wollte ich zum Wasser. Der Hirt kletterte vor mir die steile, teils mit Brombeeren bewachsene Böschung hinab. An einem weniger schlammigen Stück watete ich ins Wasser und machte meine übliche Wäsche. Als ich dann mit der sauberen Kleidung in der Hand ans Land kletterte, verabschiedete sich der Hirt.
Im Lager machte ich die letzten Handgriffe, als ein Mann so ganz zufällig "vorbei"schlenderte. Er kam aus Richtung des Dorfes, das ich zuletzt durchquert hatte. Er fragte ein bisschen nach dem Woher/Wohin, wo ich denn schlafe (wo wird das wohl sein?) und verließ mich dann wieder Richtung des Dorfes.
Tagebuch schrieb ich gegen halb neun. Es war schon so dunkel, dass ich kaum noch etwas sehen konnte. Daheim ging die Sonne laut Garmin eine halbe Stunde später unter. Die Frösche quakten mich bald in den Schlaf.