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Kurz nach fünf wurde ich munter und war nach dem Packen schnell wieder auf Achse. Von den gestrigen ergiebigen Niederschlägen war die Luft noch feucht und der Himmel trüb.
Ich wollte die Plitvicer Seen von "oben" erkunden, mit dem am höchsten und im Süden gelegenen beginnend. Deshalb fuhr ich ein Stück zurück und bog dann auf eine kleine, Richtung Süden durch Laubwald führende Straße ab. Für den allgemeinen Verkehr war sie gesperrt, mir kam nur ein Auto entgegen. Irgendwo mitten im Wald fand eine Handvoll alte und nicht so alte Gräber. Am Abzweig zu den Seen standen ein paar verlassene, teils verfallene Häuser. In einigen wurde Heu und Stroh aufbewahrt.
Auf der Straße zu den Seen kam ich bald an einen geschlossenen Schlagbaum. Unmotorisierte Personen passten dort problemlos vorbei. Dann hatte ich den ersten Blick auf die Plitvicer Seen. Das Wasser hatte eine blau-grüne Farbe. Dazu sangen ein paar Vögel und niemand störte in dieser Einsamkeit: Wunderbar!
Am Ende des Sees schaute ich mir die ersten Wasserfälle an. Hier befand sich auch der erste Touristenstartpunkt mit entsprechender Infrastruktur. Das Restaurant war noch geschlossen (es war noch nicht acht Uhr), die öffentliche Toilette war offen und blitzsauber. Ich rollte auf dem gut asphaltierten Wirtschaftsweg weiter, der sich aber zusehends von den Seen entfernte. Aussicht gab es wegen des Waldes auch keine, also kehrte ich um und nahm den Weg nahe der Seen. Ich hatte meine Zweifel ob der Fahrradkompatibilität dieses Weges - nach den ersten Wasserfällen führte eine lange Treppe mit flachen, breiten Stufen bergab.
Am Fuß des ersten Wasserfalls frühstückte ich Kekse und Bananen. Ein sehr zutrauliches Rotkehlchen umhüpfte mich dabei, pickte die Krumen sogar von der Hand. Meist flog es fort und kam gleich wieder, um Nachschub zu holen. Zum Schluss traute sich das schon flügge Junge auch in meine Nähe. Als ich weiterfuhr, folgte mir der Vogel noch eine Strecke.
An einem Knüppeldammabzweig ließ ich das Fahrrad stehen, um weitere Wasserfälle zu besuchen. Als ich zurück ging, kam mir die erste Touristenherde mit Ohrstöpseln und einer Führerin mit Mikrofon entgegen; es war zehn vor halb elf.
Weiter gings, meist musste ich wegen schlüpfriger Holztreppen, geneigten Knüppeldämmen und den Touristen im Gegenverkehr schieben. Außerdem konnte ich bei Schrittgeschwindigkeit besser staunen. Der Großteil der anderen Besucher blickte anerkennend oder staunend auf mein bepacktes Rad und mich, einige wenige machten verkniffene oder abweisende Gesichter. Dann nahm ich eine der elektrisch angetriebenen Fähren, um das Ende eines Sees zu überqueren, zu zahlen war nichts. Die Alternative wäre gewesen, das Fahrrad über weite Strecken treppauf zu schleppen.
Nahe der Fähre fand ich einen sehr schmalen Lehrpfad, der direkt am Wasser des Sees entlangführte. Ohne unterwegs einem Menschen begegnet zu sein, gelangte ich an dessen Ende und durfte eine kleine Treppe überwinden. Oben sah eine Familie, wie ich das Rad die letzten Stufen hochwuchtete. Anscheinend nahmen sie das als Anlass, diesen Weg zu gehen.
Die Touristenanzahl stieg nun ins Unerfreuliche. Teilweise musste ich warten, bis die Gruppen vorüber waren, um weiterzukommen.
Dann erreichte ich den untersten See. Der OSM-Karte auf dem Garmin zufolge befand sich oberhalb davon ein Aussichtspunkt. Da ich das Bad in der Menge scheute, sparte ich mir den Gang dorthin. Statt dessen strebte ich langsam Richtung Ausgang. Am Fuße der dorthin führenden Serpentinen machte ich noch eine kleine Pause und aß die restlichen Kekse mit der letzten Banane. Beim Erklimmen der Serpentinen genoss ich die Aussicht und beglückwünschte mich zu meinem Entschluss, die Seen von oben nach unten zu befahren: so hatte ich zuletzt den wohl schönsten Anblick im Schein der mittlerweile durch den Dunst gedrungenen Sonne. Ich bemerkte, dass viele Leute ein Ticket in der Hand oder Brusttasche hatten - hm. Oben war der Auslass fast leer, am Einlass stand eine dutzende Meter lange Menschenschlange an der Kasse. Hm.
Fazit zu den Plitvicer Seen: Meiner Meinung nach sehr sehenswert. Man sollte sie möglichst zu einer Zeit besuchen, in der wenig andere Besucher unterwegs sind. Es ist kein großes Problem, die Fußwege mit einem schwer bepackten Fahrrad zu begehen. Dabei sollte man möglichst die Richtung bergab wählen. Dass teils allerhand Stufen zu überwinden sind, sollte man auch bedenken, wenn man einen Kinderwagen dabei hat. Eine ausführliche Besichtigung in ganzer Länge schafft man nicht unter vier Stunden. Drei Stunden länger kann man sich hier auch aufhalten, wenn man die Touristenhorden meidet oder ignoriert.
In einem Buswartehäuschen begutachtete ich die Fahrpläne und studierte die Landkarte. Ein herrenloser Beutel mit Essen neben mir wurde von Parkmitarbeiterin entfernt. Ich war leider nicht geistesgegenwärtig genug...
Dann fuhr ich los Richtung Ogulin. Fürs Erste hatte ich eine herrliche Abfahrt. Dazu fand ich noch einen nicht gekennzeichneten Aussichtspunkt, von dem aus man auf die untersten Wasserfälle und das Tal einen letzten schönen Blick hatte. Dann ging es auf der anderen Talseite landschaftlich hübsch bergauf durch kleine Dörfer. Die Straßenqualität war unterdurchschnittlich, die Steigung aber stets moderat. Die Straße war als Radroute 9 ausschildert.
Viel Verkehr kam mir entgegen, die Fahrzeuge hatten Kennzeichen aus einem Dutzend verschiedener Länder. Oben angekommen ging es fast eben weiter. In einem Dorf kamen mir Amateur-Rennfahrer mit voraus fahrendem Polizeifahrzeug und abschließendem Servicewagen entgegen. Einer begrüßte mich im Vorüberfahren mit Handschlag, alle anderen winkten. Die letzte Gruppe sang ein Lied. In einem Dorf hielt ich an einem Hofladen und kaufte von der Hausfrau hergestellten Slivovic und Käse, dazu ein Glas Honig "von Freunden". Im nächsten Dorf hielt ich am erstem heute gefundenen "Picknickplatz" neben einer Quelle und aß endlich zu Mittag - es war 15:30. Nun hatte ich nur noch etwas Trockenfutter und eine Süßigkeit in der Tasche.
Weiter ging es, bald hatte ich eine schöne Abfahrt in ein Tal. Im nächsten Dorf war ein Hare-Krishna-Festival mit einem "Free-Food"-Schild beworben. Hätte ich das gewusst... Mein Magen war zwar voll, aber die Neugier war noch zu stillen. Mir wurde trotzdem ein Teller köstlichen Essens aufgenötigt - danach war ich ich übersättigt. Mit verschiedenen Leuten konnte ich mich interessant unterhalten. Sie waren offen und freundlich; viele sprachen englisch, manche auch deutsch. Einer erzählte, dass bei Sarajevo Pyramiden gefunden wurden, deren größte größer als die Cheopspyramide sein soll. Leider unternähme die Regierung nichts, um Nutzen daraus zu ziehen. (Daheim recherchierte ich ein wenig: Diese Pyramiden passen am besten in die Kategorie "Verschwörungstheorie".)
Dann gab es einen kleinen Festumzug mit dem Krishna-Wagen - eine Miniaturausgabe des Wagenfestes. Zwei dabei gereichte Süßigkeiten brachten mich fast zum Platzen. Eine dritte verpackte steckte ich in eine Radtasche zu zwei hier erhaltenen Büchern. Nach dem Umzug besuchte ich das "Seminar" auf einer überdachten Tenne. Männer und Frauen saßen getrennt meist im Schneidersitz auf dem Fußboden. Das Seminar wurde auf Englisch gehalten. Nicht-Englischsprechende konnten einer Übersetzung ins Kroatische per Kopfhörer lauschen. Eine kleine Gruppe von Tschechen saß um einen weiteren Dolmetscher.
Das Einzige, was mir aus diesem Seminar in Erinnerung blieb, war des Redners leichte Überheblichkeit gegenüber allen Nicht-Krishna-Anbetern und die etwas eigenwillige Interpretation eines christlichen Liedes mit dem Kehrreim "He [God] will slay them ad infinitum" (Er [Gott] wird sie auf unabsehbare Zeit schlagen) als Beweis für die Grausamkeit des christlichen Gottes. Mit solch willkürlichen und offensichtlich aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten kann man die Aussage von Allem und Jedes in sein Gegenteil verkehren.
Später wurde Werbevideo für den bereits im Bau befindlichen weltgrößten Krishna-Tempel mit einem Beamer auf eine Leinwand proijiziert. Danach gab es Gesang (chanting) und Tanz. Als Nächstes wurde die "BTC" präsentiert, eine Art Bibliothek für einschlägige Primär- und Sekundärliteratur des Krishna-Glaubens. Einige der Mitarbeiter sind auf Suche nach historischen Manuskripten. Es wurden Beispiele genannt, wie wertvolle Manuskripte von Ahnungslosen im Ganges entsorgt wurden. Auch das Restaurieren und Digitalisieren gehört zu den Aufgaben der BTC, es wurde ebenfalls um Spenden gebeten.
Es war Zeit zum - wiederum köstlichen - Abendbrot. Erstaunlicherweise hatte ich wieder Platz im Magen und aß zwei Portionen, zum Abschluss überfraß ich mich mit großartigem Frucht-Pudding-Streuselkuchen. Waschen konnte man sich in einem separaten Raum. Warmes Wasser holte man sich mit einem großen Eimer, mit einem kleinen schöpfte man es daraus und goss es über sich. Ich übernachtete in dem großem Zelt, wo tagsüber die Kinder spielten.