Der Bürgermeister meines Heimatortes hatte alle Einwohner aufgefordert, wegen einer wichtiger Abstimmung in den Ort zurückzukehren. Als ich daheim ankam und zu der Versammlung ging, stellte sich heraus, dass wirkliche Grund eine vom Bürgermeister ausgehende Werbung für irgendein blödsinniges Produkt war. Meine Stimmung rutschte vom Nullpunkt in den negativen Bereich. Dafür hatte ich meinen wunderbaren Urlaub abbrechen müssen?!
Dank der gründlichen deutschen Bürokratie es noch ein Formular zur Aufwandserstattung. Der Aufwand zum Ausfüllen des Formulars stand in keiner Relation zu der möglichen Erstattung. Was war ich sauer!
Meine Erleichterung ließ sich nicht in Worte fassen, als ich nach dem Aufwachen feststellte, dass ich in einem Schlafsack auf einer Isomatte im Freien lag - mitten in Griechenland.
Heute ließ sich das Radeln sehr gut an. Anfangs ging es steil, dann ganz sachte bergab. An einer Tankstelle traf ich nach einer Rast einen Österreicher, der mit Frau und zwei Töchtern unterwegs war. Wir unterhielten uns über dies und jenes; das Woher und Wohin und über Navigationsgeräte. Er hatte eine lückenhafte Karte auf seinem - eine gute Gelegenheit, um Werbung für OSM zu machen. :)
Die Straße führte durch ein fruchtbares Tal. Gut bestellte Felder wechselten sich ab mit Weiden, auf denen Schafe und Ziegen gehütet wurden. Kahle Berge in der Ferne gaben dem Ganzen einen malerischen Rahmen. Dank sehr leichtem Gefälle und Rückenwind ging es weiter flott voran. Vor dem Mittag hatte ich bereits 50 Kilometer geschafft und war bei den Klöstern von Meteora angekommen. Auch heute hatten mich wieder etliche Autofahrer gegrüßt.
Hier im Tal von Meteora sah man dreierlei Berge: "rundgelutschte" im weiteren Umkreis, teils mit einer dünnen Schicht Erde, im Zentrum die vereinzelten Felstürme mit den Klöstern, ringsum in größerer Entfernung die schroffen Berge.
Vorerst schob ich das Fahrrad unter einen Busch am Rand eines steilen Weges und spazierte um einen Fels herum, auf dem sich die spärlichen Reste eines Klosters befanden. Für den vermutlichen, sehr steilen Aufstieg hätte ich wenigstens besseres Schuhwerk gebraucht als meine Fahrradsandalen. So machte ich vom Boden aus einige Fotos von den Klöstern St. Nicholas Anapausas und Rosánou und den Felsen; alle bevölkert von Touristen. Es war zu spüren, dass ich in einer Touristenhochburg war. Die Parkplätze waren verstopft mit Autos aus aller Herren Länder (unter anderem Niederlande, Österreich, Ungarn, Italien, Frankreich, Polen, Belgien und Deutschland), zudem wurden Touristenherden mit Reisebussen bis vor die Klöster gekarrt.
Das nächstliegende Kloster war St. Nicholas Anapausas. Am Zugang stand ein Schild mit dem Hinweis, das Frauen in kurzen Shirts, Röcken oder Hosen und Männern mit kurzärmligen Shirts oder Hosen der Zugang verboten ist. Da sich keiner darum zu kümmern schien, tat ich es auch nicht. Ich stieg die langen Treppen bis zum Fels hinauf, wo es über weitere Treppen ins Kloster ging. Alle Leute wurden problemlos eingelassen, knielange Hosen schienen zu genügen.
Ich wurde aber vom Eintrittskartenverkäufer auf griechisch angesprochen und eine halbe Treppe Richtung Ausgang geführt - dort befanden sich Leih-Überhosen, die man gebührenfrei ausleihen durfte. Als ich zuvor an dem Raum vorbeikam, war alles so vollgestopft mit Menschen, dass das nicht zu sehen war. Hinter der Kasse gab es auf einigen Regalen viele Bücher, die alle auf irgendeine Art mit dem (orthodoxen) Christentum zu tun hatten, CDs mit mehr oder weniger authentischen Mönchsgesängen und geschnitzte und gemalte Ikonen. Im Kloster war nur ein Mönch zu sehen - vermutlich der für den Tourismus Verantwortliche. Weder auf Englisch, noch auf Deutsch oder Französisch war eine Verständigung möglich.
Zwei Frauen betrachteten mich interessiert. Ob es an meinem Sechs-Tage-Bart oder der interessanten Kombination von Funktions-T-Shirt, Hut und Pluderhosen lag, weiß ich nicht. Ich sprach sie an, als sie erfolglos versuchten, Wasser aus einem Hahn zu drücken. Sie kamen aus Südkorea und erkundeten Griechenland und die Türkei auf eigene Faust per Bus und Bahn.
Den durch die Klöster flutenden Touristenscharen blieb - zumindest hier - der Klosteralltag verborgen. Den Mönchen würde es sicher schwer genug fallen, bei Hunderten täglicher Besucher würdevoll Andacht und Gottesdienst zu verrichten. Da bei den anderen Klöstern, die ich aus der Ferne gesehen hatte, nicht weniger Leute unterwegs waren, würde ich dort sehr wahrscheinlich das Gleiche vorfinden. Außer einem weiteren Bad in der Touristenmenge würde ich mir etliche Höhenmeter ersparen, also kehrte ich um und fuhr Richtung Vikos.
In Kalambaka, dem Ort am Fuße der Klöster, kaufte ich noch ein wenig ein. Besitzerin des Tante-Emma-Ladens war eine betagte, weißhaarige Frau, die seit 35 Jahren an Touristen verkauft und dabei ein relativ passables Englisch gelernt hatte. Die Preise waren ebenfalls an den Tourismus angepasst: vier AA-Batterien kosteten vier Euro.
Dank der OSM-Karte, die hier ein paar falsche Daten enthielt, machte ich zwei Extrakilometer. Zur Entschädigung fand ich einige Dutzend Wassermelonen, die - aus welchen Gründen auch immer - herrenlos am Rand eines Parkplatzes lagen. Ich suchte mir eine unbeschädigte Frucht, schnitt sie mit dem Taschenmesser auf und aß. Sie war herrlich süß und saftig. Trotzdem konnte mich beherrschen und überfraß mich nicht.
Später kaufte ich an einem Café bei einer Tankstelle eine Dose Bier und ein Fläschchen Fruchtgetränk. Letzteres trank ich gleich - Stück für Stück verdünnt, Ersteres im Lager, das ich heute an einem ausgetrockneten, steinigen Flussbett aufgeschlagen hatte. Wieder einmal konstatierte ich, dass Moskitonetz mein bisher bester Spontankauf war.