zu Gast bei Llesh Biba - Postkarte mit Kunstwerken
Llesh Biba mit selbstgeschnitztem Holzhut
Kulla e Zef Biba - Kinder auf Treppe
Blick zurück Richtung Dorf mit Bergen und Bibas Berg
Karstgebiet der Mirdita - Solitärkiefer auf Felshügel
Di, 05.08.2014
31,1 km
Wetter: wolkenlos und sonnig, ab Mittag bewölkt, später Gewitter und Regen
05:30 war ich munter. Die letzten 400 ml Wasser verarbeitet ich zu Tee und lief gegen 07:00 los. Es ging steil bergauf mit schönen Aussichten, unter anderem auf die Kirche von Grykë Orosh. Ein Jeep mit Familie (Vater am Lenkrad, Mutter mit Kind und Großvater) kam mir entgegen. Die Frau sprach gut Englisch, nach etwas Smalltalk, meinem Lob Albaniens und der Erwähnung, dass ich kein Wasser habe, wurde ich in den Jeep geladen und bergauf zu einer Quelle gefahren. Die erste war versiegt, die zweite ergiebig. Letztere wurde aber nur vom Großvater aufgesucht, sie lag weiter weg von der Straße. Direkt am Straßenrand gab es eine sehr kleine.
In Ndërshejt wurde ich beim Aufstieg zum Gipfel und den Funkmasten von einem Jugendlichen auf Anordnung dessen Vaters begleitet. Auf Rückweg kam uns der Vater Viktor entgegen und erklärte, mich bis "Fusche Lutsche" begleiten zu wollen. Ein Freund am Telefon übersetzte: es gäbe "evil people" (böse Leute). Ich wunderte mich, dass er so weit mit mir wandern wollte, offenbar hatten wir uns aber missverstanden – er meinte vermutlich das Dorf Fusha e Lugjeve, ich dagegen Fushë Lura.
Erst wurde aber ein Freund meines Begleiters besucht, Llesh Biba: ein Bildhauer, Schnitzer und Regisseur, der sogar einen Eintrag in der albanischen Wikipedia hat. Sein Facebook-Foto-Stream (auf seiner Website unter "Punimet" verlinkt) ist nur sichtbar, wenn man bei Facebook angemeldet ist. Auf seiner Brust und in den Rasen seines Grundstücks hatte er ein Kreuz gemäht. Wir wurden mit Wein bewirtet, für mich gab es noch Honig und eiskaltes Wasser eine Flasche als Powerdrink, wie Llesh sagte. Ich bekam eine Besichtigungstour durch beide Gebäude mit allen Räumen, dann wurde der Fels des Grundstück bestiegen. Dabei kamen wir an etliche zur Harzgewinnung geritzten Kiefern vorbei.
Danach führte Viktor mich zur Kulla e Zef Biba. Ich bekam Dhallë zu trinken und einen Diskus-großen Käse – in einem undichtem Beutel, wie ich später merkte. Mit einem Päckchen Kaffee und Malzeug für die Kinder bedankte ich mich. Wie bei Viktor trug die Frau des Hauses geflochtene Zöpfe unter einer schwarzen, offenbar regional typischen, aber vermutlich industriell gefertigten Haube. Ein Foto durfte ich leider nicht machen, da es "nur" die alltägliche Arbeitstracht war. Die Kinder dürfe ich fotografieren wie ich mag. Auch Fotos des Hauses von außen und innen – ich wurde herumgeführt – durfte ich machen.
Nun wanderten Viktor und ich ein ganzes Stück, wobei er mir alle möglichen Pflanzen erklärte und Namen nannte. Leider verstand ich nur wenig, lediglich den Bergtee (Çaj Malit) merkte ich mir: eine etwa 10 cm hohe Pflanze mit höchstens kleinfingernagelgroßen Blättern und blassroten Blüten. Als wir uns einer Herde näherten, hob ich zur Abwehr der Hunde vorsorglich ein paar Steine auf. Viktor meinte, dass das nicht nötig ist, sondern man mit den Hunden besser freundlich spräche. Vielleicht würde ich das einmal versuchen, wenn ich die Nerven dazu hatte… Nachdem wir uns an einer Quelle erfrischt und die letzten Häuser hinter uns gelassen hatten, verabschiedete sich Viktor von mir. Ich setzte den Aufstieg zu der Hochebene fort. Die Kapelle am Friedhof, die mir als mögliche Sehenswürdigkeit genannt worden war, war ein Neubau.
Auf der Ebene angekommen erstreckte sich vor mir karges Karstland mit Grasflächen, vereinzelten Kiefern, umherliegenden Felsbrocken und Dolinen. Kaum dass "Fushë Lutsche" in Sichtweite war, bog ich wie geplant Richtung Süden ab. Der Weg war ein wenig sichtbarer Feldweg, anfangs gesäumt von Orchideen, bald war es nur noch ein schmaler Pfad. Er führte teils durch felsige, mit gedrungenen Bäumen bestandene Landschaft, teils über Wiesen mit hohem dichtem Gras, wo man ihn nur raten konnte.
Beim Abstieg von der Hochebene gab es einen handfesten Wolkenbruch, die Schuhe wurden komplett durchnässt, später gab es noch drei Schauer. In Krëj Lurë war die erste kurze Regenpause, ich sah etliche vermutlich historisch interessante Gebäude von fern. Den nächsten Regenschauer wollte ich in einem halb verfallenem Stall abwettern, wurde aber von einem Hund aus dem noch benutzten Gebäude verbellt, was mich davon abhielt.
Am Ortseingang von Fushë Lurë fragte ich einen Mann nach dem Hotel Turizmi. Er schwenkte den Zeigefinger vor mir, dann winkte er mir, ihm zu folgen. Er führte mich zu seinem Haus, wo er mit seinem Bruder Lazarus, den jeweiligen Frauen, fünf Kindern und der Oma wohnt. Lazarus arbeitet in Tirana, spricht gut Englisch und plant auf seinem Grundstück eine Campingplatz und eine Unterkunft für Touristen.
Nach meinem Eintreffen unterhielten wir uns eine Weile, bis ich mich für einen Moment entschuldigte, um draußen die nassen Schuhe auszuziehen, Füße und Socken zu waschen und die Sandalen anzuziehen. Drinnen unterhielten wir uns noch eine ganze Weile, dann versorgte ich die Elektronik (Akkus laden, Mapillary-Bilder kopieren). In der "einzigen Dusche des Ortes", die aber ziemlich defekt war, duschte ich kalt, das warme Wasser hätte man erst aufheizen müssen. Ich sagte, dass es mir gleich ist, ob das kalte Wasser aus einer Dusche oder einem Fluss kommt. :) Ich begleitete Lazarus bei seiner Fahrt mit seiner 5-Tonner-Mercedes-Pritsche in den Ort. Ich wurde zu einem Bier eingeladen und nachdem er besprochen hatte, was er offenbar besprechen wollte, ging es wenig später zurück.
Ich war gefragt worden, wann ich essen möchte. Meine Antwort: zur üblichen Zeit, will den üblichen Ablauf nicht stören. Lazarus lag auf Sofa im Vorzimmer, er hatte am Vortag 24 Stunden Dienst gehabt. Der größte Teil der Familie saß in der (Wohn)Küche. Teils unterhielt ich mich, teils schrieb ich Tagebuch.
Ein Thema: Der Weg entlang des Kanals bei Gur-Lurë. Sogar die Oma sagte "keq, keq rruga" (schlechte, schlechte Straße), aber Lazarus meinte, mit meinen guten Schuhen könnte ich den Weg durchaus bewältigen.
Die Schule des Ortes geht bis zur 12. Klasse, das Einzugsgebiet hat etwa 2000 Einwohner.
Viktorlegte mit Nachdruck Wert darauf, dass sie katholische(?) Christen sind. Das Essen wurde auf dem Ofen gekocht. Kartoffelstreifen wurden ähnlich Pommes frittiert, dann aber beiseite gelegt. Pilaw wurde lange in einem großen Topf gekocht. Gegen 22:00 wurde alles – geschnittene Tomaten, Zwiebeln, Käse mit Olivenöl, kalte Pommes Frites, Pilaw und Brot – auf dem langen Tisch im Vorraum serviert. Die Männer begannen gleich zu essen, die Frauen später. Eine der Frauen blieb die ganze Zeit in der Küche und kochte weiter.
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