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  • Wetter: Sonnig und warm

    Ich wachte relativ früh und als Erster auf. Nach der Morgentoilette packte ich gemächlich und wartete lange auf jemanden vom Zeltplatz, da Handy und Kamera noch immer auf dem Warmwasserspeicher in der jetzt verschlossenen Küche lagen.

    Schließlich klopfte ich an der Tür, hinter der Karolin, Wojtek und Martin schliefen. Auf ein schläfriges "Kto?" antwortete ich mit "Here is Thomas!". "Ah, Thomas, good bye, have a nice day!" Ganz so schnell wollte ich nicht davonziehen und erklärte, warum ich nochmal in die Küche müsse. Wojtek schloss mir die Küche auf, tat ein paar Züge aus einer Colaflasche und nahm diese mit ins Schlafgemach. Nun ging es endlich los. Ich radelte wunderschön durch Wälder, in denen etliche Rad- und Wanderrouten ausgeschildert waren.

    In Augustów kaufte ich ein gebrauchtes Handy für 95 und eine Digicam für 329 Złoty, insgesamt waren das etwa 106 EUR. Der Laden, in dem ich die Kamera besorgte, bot gegen Entgelt auch einen Internetzugang an. Ich kopierte die bisher gemachten Fotos auf den als Zwischenspeicher mitgeführten USB-Stick; die Speicherkarte hatte das Bad zum Glück nicht übel genommen. Fünf Bilder lud ich auf meine Internetseite hoch. Ich wollte noch kurz in den deutschen IRC-Channel von OSM schauen, was mich etwas Mühe kostete. Der OSM-online-Chat wollte mich nicht reinlassen, weil die IP des Rechners auf einer Blacklist stand.

    Während einer Pause im zentralen Park machte ich mich mit der neu erworbenen Technik vertraut. Danach drehte ich eine Runde durch Augustow und fuhr Richtung Białystok.

    Erst ging es über größere, asphaltierte Straßen, oft durch Wälder. Dann nahm ich eine landschaftlich schöne Parallelstrecke durch den Biebranzski-Nationalpark unter die Räder. An einer Schleuse überquerte ich den Kanał Augustowski, der im 19. Jahrhundert gebaut und als UNESCO Weltkulturerbe vorgeschlagen wurde. Irgendwann endete der Asphalt, die Straße war dann teilweise arg zerfahren.

    Anhand der Karte hatte ich mir den Zygmunta-Augusta-See als Platz zum Übernachten ausgesucht. Ich umfuhr ihn auf Sandpisten zu drei Vierteln, aber nirgends kam man an das Wasser heran. Es war umgeben von morastigen Wiesen ohne Wege, dann kam Wald und zu guter Letzt hätte man eine steile Böschung voller Gestrüpp und Brennesseln überwinden müssen. Da ich heute so gar keine Lust auf ein Sumpf-, Wald- und Mückentour hatte, kann ich nicht sagen, wie es hinter der Böschung aussieht. Ein Anwohner sagte mir, dass der See privat sei und es keinen Zugang gebe. Einen Campingplatz gebe es in der Gegend auch nicht. Auf die Idee, mich auf seinem Bauernhof übernachten zu lassen, kam er leider nicht.

    In Knyszyn bat ich drei Arbeiter um Wasser und dann um Auskunft für eine Möglichkeit zum Übernachten. Einer fuhr mit seinem PKW in den Ort. Er kam bald zurück und bedeutete mir, ihm zu folgen. Er führte mich zu einer Familie, die zwar keine Pension führte, mich aber bei sich übernachten lassen wollte. Die Hausfrau hatte vorgesehen, dass ich in einem Wohnraum übernachte und war gar nicht glücklich als ich darauf bestand, im Freien zu schlafen. Sie brachte mir sogar noch Bettzeug heraus, weil es doch nachts so kalt werde.

    Diese Leute hatten gerade Besuch von ihrer Tochter Elisa mit deren deutschem Mann und drei Kindern, eines davon ein (natürlich süßes) Baby, aus der Lüneburger Gegend. Er hatte sie in Polen kennen und lieben gelernt. Das Ehepaar sprach miteinander meist englisch, die Mutter mit den Kindern polnisch und englisch, der Vater mit den Kindern deutsch. Mir gefiel das durchaus. Ich kenne Familien, wo der Vater und Ehemann nur die eigene Sprache gelten lässt.

    Als erstes ging ich Duschen (in der Badewanne) - eine köstliche Erfrischung. Dann aß ich ausführlich Abendbrot. Es gab wieder helles Brot, Schinken, Tomaten und noch einigen anderen Brotbelag. Bei ein oder zwei Bier unterhielt ich mich noch lange mit dem Besuch. Der Mann hatte mehrere Monate in Afghanistan nahe der Front gearbeitet...

    Elisa meinte, als wir einen Moment allein waren, dass ich ihrer Mutter 15 Euro oder 60 Złoty geben solle. Hmm. Für polnische Verhältnisse war das vermutlich nicht eben preiswert. Unterwegs hatte ich schon Werbetafeln für ein Hotel in der Touristenhochburg Białowieża gesehen, das mit 85 Złoty pro Nacht warb. Aber andererseits: Ich konnte duschen, hatte ein tolles Abendbrot mit Bier und nette Leute um mich. Ich musste nicht durch Brennesseln, Gestrüpp und Wald brechen, während ich gleichzeitig von Mücken aufgefressen wurde. Warum also nicht? Zudem gefiel mir, dass die Tochter das Geld nicht selbst kassierte, sondern nur dezent darauf hinwies.

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