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  • s ~ 14,6 km, t ~ 5h
  • (siehe Log)

    Nach dem Frühstück packte ich, was ich zu brauchen glaubte in eine der (wasserdichten Ortlieb-) Fahrradtaschen, diese ins Kanu und schleppte alles ans Ufer der Czarna Haǹcza. Das Paddel hatte ich vergessen, also konnte ich die rund zweihundert Meter nochmal zurücklaufen... Nach einem letzten Foto an Land paddelte ich los. Ich hörte Stimmen, die mir vertraut vorkamen und fuhr ein wenig flussab in diese Richtung. Es waren der Professor von gestern nachmittag und seine Frau. "Thomaaas, ich glaub es nicht!" rief er erfreut. Nach einem kurzen Gespräch verabschiedeten wir uns. Die beiden würden in ein paar Stunden ihren Kurzurlaub beenden.

    Ich paddelte nun flussaufwärts. Nachmittags, wenn ich vielleicht nicht mehr so bei Kräften war, würde ich mit der Strömung zurückfahren können. Trotz der gestrigen Zweifel befand ich mich auf einem Fluss, der allerdings streckenweise stark bewachsen war. Als ich durch einen Ort paddelte, sah ich ein Schwanenpaar mit seinem Nachwuchs. Ich wollte sie gern fotografieren, aber die Angelegenheit war kniffliger als ich dachte. Ehe ich die Kamera aus der Packtasche geholt hatte, war ich ein ganzes Stück abgetrieben und stand dazu quer zur Strömung. Ich legte mir die Kamera auf den Schoß, fuhr zu den Schwänen und machte ein paar schöne Bilder. Allerdings fühlten sich die Tiere bedroht, und während ein Elternteil mit den Jungen von mir wegschwamm, kam der andere in meine Richtung und zischte drohend. Ich drehte langsam ab und fuhr weiter.

    Nach geraumer Zeit machte ich zwischen ein paar Bäumen Rast, machte ein paar Fotos und träumte etwas vor mich hin. Mit Flüssen und Wasserwandern kenne ich mich nicht aus, aber diese Gegend fand ich schon sehr reizvoll. Weiter flussaufwärts paddelnd sah ich mehrere Gruppen Wasserwanderer, die noch beim Frühstück oder am Packen waren. Von einer wurde mir zugerufen: "Du fährst in die falsche Richtung!" Wie bitte? "Flussabwärts ist es doch viel bequemer!" Mir tut das nichts, ich bin ein Sportsmann!

    An einem Steg stand ein Jugendlicher, den ich nach einem Restaurant oder etwas Ähnlichem fragte, denn trotz der frühen Stunde hatte ich ordentlichen Hunger. Hier gebe es nichts, aber weiter flussaufwärts in Buda Ruska könne ich speisen, meinte er. Gut, nun hatte ich ein Ziel vor Augen.

    Nach einem Holzschild mit "Buda Ruska" an einer Holzbrücke war ein Wegweiser "Galeria Kultur-Scheune" an einen Pfahl im Wasser befestigt. Ich fuhr auf den halb versenkten Steg, zog das Boot aufs Trockene und ging landeinwärts, es war etwa 1030. Beim Haus traf ich eine Gruppe von Leuten mit Spiegelreflex-Kameras. Einige fragten mich auf englisch aus, ich antwortete natürlich gern. Auf meine Frage nach einer Gaststätte wurde geantwortet, dass es hier keine gebe. Ich solle aber auf Margosza warten und man würde sehen. Sie kam auch bald an, zusammen mit einem etwa vierzigjährigen Mann und dessen Sohn Ignaz, einem niedlichen, achtjährigen Junge, der rötliches Haar und Sommersprossen hatte. Er war einfach zum Knuddeln. Sie selbst war etwas zierlich, adrett und sehr nett. Allerdings hielt sie ihren Daumen gleich nach der Ankunft in eine Tasse warmen Wassers, in das sie etwas Kamille gegeben hatte. Beim Einkaufen hatte der Junge versehentlich ihren Daumen in der Autotür eingeklemmt.

    Als ich sie nach einer Gaststätte fragte, lachte sie. In diesem Dörfchen gebe es keine, aber ich könne einen Imbiss bekommen. Das war mir sehr recht und mir wurde aufgetischt: Das mir schon von früher bekannte helle Brot, Schinken, Käse, Butter, Honig, Tomaten, Joghurt und noch einiges. Der Mann schnitt Schinken auf und arrangierte ihn liebevoll, während Margosza den Tisch deckte.

    Ich erfuhr, dass ich mich im Haus von Piotr Malczewski, eines nicht ganz unbekannten Naturfotografen, befand. Er war mit Frau und Kind in Suwałki und würde erst spät zurück sein. Sie selbst, Margosza, sei aus Suwałki und heute mit dem Mann für den Haushalt hier zuständig. Die Leute, die ich bei meiner Ankunft getroffen hatte, nahmen an einem Fotografie-Workshop teil. Ich las mir das Gästebuch mit Eintragungen von Leuten aus aller Welt durch, die von der herzlichen Atmosphäre und dem wunderbaren Umgang schwärmten. Ich kam nicht umhin, es ihnen gleich zu tun. Noch jetzt denke ich sehr gern und etwas sehnsüchtig an das Haus und die Leute zurück. Wir unterhielten uns aufs Beste. Das Buch enthielt auch Fotos von und mit Piotr, von seinem Haus und Freunden.

    Margosza war Polnischlehrerin in Suwałki. Sie erzählte, dass sie früher als Freiwillige zwei Jahre in Dresden Polnisch gelehrt habe. Das damals erhaltene Taschengeld sei höher gewesen als das, was sie jetzt verdiene... (Ich glaube, mir das richtig gemerkt zu haben). Als ich von OpenStreetMap erzählte meinte sie, dass das Thema eher etwas für ... (den Mann) sei, dessen Name ich leider vergessen habe. Er war Unternehmer und leitet sein Geschäft in Warschau größtenteils übers Internet. OSM fand er interessant; die Möglichkeit, Fotos mit GPS-Daten zu versehen, schien er noch nicht zu kennen. Ich zeigte ihm am Rechner eine Seite des OSM-Wiki mit einer Anleitung dazu.

    Nach dem Essen führte mich Margosza in die Galerie-Scheune. Einige Fotos von Piotr waren aufgehängt, am nächsten Tag sollte es eine Vernissage geben. Sie lud mich dazu ein, was ich bedauernd ausschlug, da mir ein Ruhetag genug war. Im Nachhinein bedacht, wäre ich doch sehr gern dabei gewesen. Ich kaufte die beiden Bildbände, die Piotr bisher hatte drucken lassen für meine Meinung nach sehr günstige sechs Euro. Für den Imbiss war ich nichts schuldig. Nun verabschiedete ich mich schweren Herzens. Aber wenn es am Schönsten ist...

    Ich fuhr noch ein Stück flussauf, von einem Zweier-Kanu fragte man mich nach dem Weg. "Wait, I have a map!", rief ich und stemmte das Paddel ins Wasser, um scharf zu wenden, wie ich es heute schon mehrere Male geübt hatte. Dummerweise war der Fluß hier relativ schmal, tief und mit starker Strömung, zu der das Kanu nun quer stand und umkippte. Ich kam schnell frei und nach oben, wobei mir auch die Schwimmweste half, die ich die ganze Zeit brav trug. Ich hielt mich am Kanu fest und trieb mit der Strömung, wobei ich mit dem freien Arm in Richtung eines gerade passierten Stegs zu paddeln versuchte. Die Leute, wegen denen ich mich so blöd angestellt hatte, riefen ein oder zwei mal "Are you okay?". Ich weiß nicht, ob ich überhaupt antwortete, ich sah sie jedenfalls nicht wieder. Deppen, wie ich auch!

    An dem Steg kam ich leicht an Land und zog das Kanu aus dem Wasser. Ich entfernte die Akkus aus Handy und Kamera. Der Logger funktionierte noch. Dann wrang alle Sachen aus, trocknete mich mit dem Handtuch aus Ortlieb-Tasche ab, kippte das meiste Wasser aus dem Boot und fuhr weiter. Ich überholte langwierig eine Gruppe, die mir vorher entgegengekommen war.

    Kurz vor "meinem" Campingplatz fuhr ich eine etwas andere Strecke. Hier geriet ich an eine Brücke, die so tief über dem Wasser war, dass ich mit den Händen dagegen drücken und mich darunter durchhangeln musste, um nicht aus dem Kanu geschoben zu werden. Das Kanu aber rutschte seitwärts weg und mitsamt der fast getrockneten Kunstfaserkleidung war ich wieder pitschnass. Ich zog das Boot an den Steg neben der Brücke und schlug mir dabei noch an einem Balken unter Wasser den linken Knöchel an, meine Stimmung war unbeschreiblich. Diesmal machte ich keine großen Umstände, ich kippte das Wasser aus dem Kanu und fuhr weiter.

    Zurück am Campingplatz legte ich Handy und Kamera auf den großen Warmwasserspeicher in der Küche. Dann räumte ich die Packtasche aus und entdeckte dabei vergessene, zermatschte Bananen. Mjam. Danach zerlegte ich das Handy, badete es in Alkohol und legte es zum Trocknen wieder neben die Kamera. (Kleine Vorschau: Display und Tastatur funktionierte nur noch sporadisch. Daheim badete ich die Elektronik noch einmal ausgiebig in Spiritus und reinigte sie gründlich - mit vollem Erfolg. Die ersoffenen Akkus von Handy und Kamera waren beide tot.) Ich bat Karolin um ihr Handy, damit ich mit meiner SIM-Karte ein paar SMS schreiben konnte.

    Wojtek, der Besitzer des Campingplatzes, war mittlerweile aufgetaucht. Er hat, wenn ich mich recht erinnere, acht Mal beim Iron Man mitgemacht. Ich half ihm, eine Waschmaschine und einen Geschirrspüler aus dem Auto auszuladen.

    Er und Karolin kochten den ganzen Nachmittag in der Küche und auf einem kleinen mit Holz betriebenen Armeeofen. Wojtek fragte mich, ob ich für einen relativ geringen Betrag beim warmen Diner mitspeisen wolle. Natürlich sagte ich ja. Gegen Abend tauchte die zu bewirtende vierzehn Mann starke Gruppe auf, sie wollten am nächsten Tag Kanu fahren.

    Ich wurde an dem Buffettisch platziert. Links von mir die Wochenend-Kanutengruppe, rechts, etwas weiter entfernt, Wojtek und Karolin. Bescheuerte Anordnung, zudem mir mein Essen von Karolin gebracht wurde.

    Später war ich für mich und breitete den ebenfalls gewässerten Reisepass zum Trocknen aus, die Ziploc-Tüte war undicht. Die heute erstandenen Bildbände waren sehr gut.

    Wojtek und Kornelia mit Martin und ein weiterer Martin mit Freundin begannen zu grillen und riefen mich zu sich. Mit dem zweiten Martin aus Augustow unterhielt ich mich etwas mühsam mit meinem bisschen Polnisch und er mit seinem wenigen Englisch. Er ist als Fernfahrer in ganz Europa unterwegs. Der Selbstgebrannte wurde dezimiert, später schauten wir noch ins Haus der Kanuten, weil an einem ihrer Autos das Licht noch an war. Wir wurden hereingebeten, es gab noch ein paar Getränke mit Alkohol. Viel kann es aber nicht gewesen sein, da ich noch ohne Schwierigkeiten ein paar lästige Fliegen unter allgemeinem Beifall zur Strecke brachte.

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