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  • Heute morgen war das Tarp wie am Vorabend befürchtet wegen der Nähe zum Fluss feucht von Tau, die Sonne schien erst spät auf diesen Platz. Tarp und Bodenplane warf ich an einem sonnigeren Platz zum Trocknen über ein paar Büsche.

    Da ich mich nicht wieder auf Schotterpisten abschinden wollte, obwohl diese vermutlich idyllisch etwa 15 km am Fluss entlang führten, nahm ich den kürzesten Weg zur Hauptstraße. Diese vier Kilometer Dirtroad genügten mir vollauf. Im nächsten kleinen Ort kaufte ich ein, ließ die Wasserflaschen füllen und frühstückte ein paar Meter weiter. Gegenüber stand ein Kriegsdenkmal mit deutscher und litauischer Inschrift.

    Gegen 1000 begann die Schaltung zu muckern: die Gänge ließen sich nur widerwillig wechseln, ich musste dazu mit der Hand am Bowdenzug nachhelfen. Ich schmierte alle verdächtigen Stellen ohne Erfolg. Zuletzt schraubte ich die Stellschraube am Schalthebel heraus, um auch dort zu schmieren. Hier quoll mir die Ursache des Problems in Form von aufgeniffelten Drähten des Bowdenzugs entgegen. Zum Glück hatte ich Ersatz dabei - im Kaufland ein Pfennig-Artikel. Da ich zum ersten Mal einen Schaltzug wechselte, fand ich nach kompletter und überflüssiger Demontage des Schaltbremshebels zuletzt die richtige Schraube. Nach dem Zusammenbauen funktionierte die Ganganzeige nicht mehr, aber die benötigte ich eh fast nie. Der Tacho wollte es jetzt der Schaltung gleich tun und spinnen, aber beruhigte sich wieder.

    Nach der Reparatur kamen mir zwei Fernradler entgegen, natürlich grüßten wir uns. Wie die Deutschen in Pervalka fuhren sie mit Helm.

    Das nächste Dorf wirkte mit seinen sauberen Straßen, gepflegten Gärten, und Häusern sehr ordentlich. An einem Teich plantschten Kinder, andere spielten auf dem Schulhof.

    Nach etwa einer Stunde sah ich ein Hinweisschild zu "The Museum of Ancient Equipment". Da die abbiegende Straße nicht in die verkehrte Richtung verlief, folgte ich ihr. Die Allee führte in das Dorf Smalininkai. Das Museum war eine umfangreiche private Sammlung eines Herren fortgeschrittenen Alters, der auch eine alte, etwas schüchtern wirkende Katze besaß. Natürlich wollte ich sie gern streicheln. Er sagte: "Beware, this is an old devil!" Ich lachte nur und streckte ganz langsam die Hand aus. Die Katze schnupperte interessiert daran, schlug ihre Krallen hinein und lief davon. Der Mann bedauerte mich, ich lachte wieder nur und meinte, dass es nichts mache, außerdem habe er mich ja gewarnt.

    Dann erklärte er mir die Stücke auf englisch. Von alten Pflügen über Dampfmaschinen, alten Fahrzeugen, Funktechnik der Russen "für den dritten Weltkrieg", jeder Menge Schleifsteine, Bienenkörben, Dreschmaschinen und einem enormen russischen Pflug für Entwässerungsgräben war alles dabei.

    Zwischendrin rief seine Enkeltochter aus Berlin an, "arbeitet in einem Orchester". Er bot mir an, in seinem See zu schwimmen und zu angeln "soo große Fische!" und auf der Wiese zu übernachten. Da es aber gerade mal Mittag war, wollte ich lieber noch ein Stück fahren.

    Mein Gastgeber mochte auf keinen Fall Geld annehmen. Vielleicht genügte es ihm, Besucher zu empfangen und mit ihnen eine Weile zu plaudern.

    Nach einer halben Stunde sah ich eine kleine Stele am Straßenrand mit der Aufschrift Holocaust Mass Graves
    100m
    Ich folgte dem sandigen Waldweg und fand einen Gedenkstein mit hebräischer und (vermutlich) litauischer Inschrift. Die Zahl 500 war ohne Sprachprobleme zu verstehen.

    Nach etwa einer halben Stunde aß ich gegen 1315 in ... zu Mittag. Die Kellnerin war ziemlich knapp angebunden. Als ich mit dem Essen fast fertig war, setzten sich zwei ältere Herren, die bis dahin in einem kleinen Jeep gesessen hatten, nachdem sie gefragt hatten, an meinen Tisch. Ich bat sie, mir etwas Geld zu wechseln, da mir meine kleinste Münze als Trinkgeld noch zu groß erschien.

    Von der nächsten Brücke hatte ich schöne Aussichten: links blitzte und rechts regnete es. Den besten Teil des Gewitters verpasste ich bei einem Verdauungsschläfchen in einer Bushaltestelle. Leider war deren Dach undicht, so dass ich mich mit dem Regencape zudecken musste. Nachdem das Unwetter abgeflaut war, zog ich die Neoprensocken über und fuhr weiter. Der Regen hörte bald auf und der späte Nachmittag wurde angenehm. Der Wind wehte von hinten, so dass ich mit bis zu 35 km/h dahinrollte - herrlich! Der Tagesschnitt mit reichlich 22 km/h spricht für sich. Machte ich ein Wettrennen mit mir selbst oder Urlaub?! Mal sehen, was meine Beine morgen sagen.

    In Marijampole sah man schon von fern ein großes Hotel; vergeblich erkundigte ich mich nach einer kleineren Unterkunft. Ich wollte auch bei der Polizei fragen, aber an der arg heruntergekommenen Dienststelle, die aber gerade saniert wurde, fand ich keine offene Tür. Na egal, da gönne ich mir eben was.

    Ich ließ mein Fahrrad erstmal vor dem Europa Royale stehen und erkundigte mich an der Rezeption. Sicher sah es hübsch aus, wie ich mit den nassen Sandalen, schmutzigen Unterschenkeln, kurzen Hosen, dem formlosen T-Shirt, trotz aller Wäschen etwas fleckigen und verschwitzt durch die Halle mit blank polierten Natursteinfußboden ging. Die Angestellte bewahrten ihre Contenance. Das Zimmer für eine Person, eine Nacht mit Frühstück koste 67 EUR. Was solls, die bis dato teuerste Übernachtung meines Lebens hab ich mir verdient. Wenn man berücksichtigt, wie teuer man übernachten könnte, war dies doch relativ preiswert.

    Die Angestellte zeigte mir einen Fahrradständer im Treppenhaus gleich neben dem Foyer. Er war so unter der Treppenschräge platziert, dass das Fahrrad beim besten Willen nicht hinein gepasst hätte. Außerdem stelle ich es schon lange nicht mehr in Felgenkiller, also legte ich es einfach zur Ruhe.

    Nach der Dusche (!) mit warmem (!!) Wasser verfügte ich mich in die Lobby. Überall wurde man mit der Übertragung eines WM-Spieles zwangsbeschallt, sogar auf Nachfrage gab es keine ruhigeren Räume. Ich bestellte einen kleinen Imbiss, ein Guiness und einen Tee und schrieb Tagebuch und SMS.

    In dieser Gegend blüht der Holunder noch oder trägt grüne Beeren, die Rapsfelder blühen auch noch; das Getreide duftet süß.

    Gegen halb zehn ging ich zu Bett.

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