Pfad mit Felsbrocken und Stützmauern und Grün
Heute ging es durch sehr abgelegenes Gebiet auf Wegen, die teilweise durch kleine Erdrutsche für Kraftfahrzeuge unpassierbar geworden waren. Die umfangreichen Rodungen dürften die Erdrutsche nicht weniger häufig machen. Weiter Richtung Frashër war aus dem ehemaligen Fahrweg ein teilweise 20 cm breiter Pfad an lockeren, erodierten Abhängen geworden. Etliche Brücken waren schon seit geraumer Zeit weggespült, ebenso Stützmauern an Stellen, wo der Weg von Wildbächen gequert wurde. Die Hügel waren teilweise nur noch erodierte Gesteinskegel, an anderen Stellen gab es Weiden und Ackerflächen.
Im Bett des kleinen Flusses, an dem ich unterwegs war, lagen teilweise tonnenschwere Gesteinsbrocken, die offenbar von den umgebenden Hügeln herabgestürzt waren. Auch passierte ich zwei größere Ruinen, eine soll eine Mühle gewesen sein. Während der siebenstündigen Wanderung vom Osum nach Frashër hatte ich genau eine Person getroffen – einen Hirten bei Muzhënckë. Er meinte, ich sei ein verrückter Deutscher, mit so schwerem Gepäck und zu Fuß durch die Gegend zu wandern.
Da die Wolken Miene machten, arges Wetter zu verbreiten, legte ich einen Zahn zu. Ich war erstaunt zu sehen, dass die Hauptstraße des Zwanzig-Seelen-Dorfes komplett betoniert und mit Straßenlampen versehen worden war. Pünktlich zum Beginn des Regens war ich im Museum von Frashër angelangt, an dessen Zaun drei große Teppiche hingen. Ein älteres Paar wollte sie in sein Haus bringen, bevor der Regen sie durchnässte. Ich half mit einem und wurde in den Vorraum gebeten, bekam embelsire (Süßigkeit), dann Schnaps, Kaffee, Honig, zwei dicke Scheiben Brot mit gesalzener Butter, Honig und Dhallë gereicht – alles selbstgemacht und köstlich! (Am nächste Morgen sah ich, wie die Frau vor ihrem Haus mit einem Butterfass Butter stampfte.) Der Regen war sehr heftig, teils mit Hagel.
Dann richtete ich mein Lager im Museum, schaute mich dort und im Dorf um. Das Dach des Museums ist nicht ganz dicht, auch durch einige Fenster hatte es etwas hereingeregnet. Ausgestellt waren einige Gegenstände des täglichen Gebrauchs, historisch bedeutende Schriften (leider ohne jede Übersetzung) und Gemälde wichtiger Situationen der Geschichte mit den Brüdern Frashëri. Was ein Geländemodell darstellte, konnte ich nicht erraten.
Im Dorf traf ich einen Jungen, der sehr gut Englisch sprach – Rinald(in)o. Er stammt aus Frashër, wohnte aber erst in Çorovodë beim Onkel, später mit der Mutter in Tirana – wohl wegen des leichteren Schulbesuchs. Von Frashër sind es 40 km zur nächsten Stadt mit Schulen, 30 km davon unbefestigter Weg. Die Sommerferien verbringt er in Frashër bei Vater, dem Onkel und dessen Familie, die von Landwirtschaft leben.
Sein Vater und er sind Bektashi, die Mutter nicht. Bevor sie das Haus in Frashër hatten, wohnten sie in der Bektashi-Tekke etwas außerhalb des Dorfes. Nachdem ich zum ersten Mal herumfliegende Leuchtkäfer bewundert und wir uns für den nächsten Tag zum Kühehüten verabredet hatten, ging ich zu Bett.
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