Pfad mit Krüppeleiche und Buschland
06:15 war ich munter und zwei Stunden später unterwegs. Es ging stetig bergauf durch felsiges Buschland mit sehr schönen Aussichten in das gestern durchwanderte Tal und auf den Tomorr. Auch die Düfte der Flora waren sehr angenehm. Kurz vor dem Kamm holte mich ein junger Mann mit zwei Maultieren ein, stieg ab, begleitete mich zu Fuß bis zu seinem Ziel und wies mir noch den Weg.
In Selan, dem nächsten Dorf, wurde ich von einem Mann auf Deutsch begrüßt und zu einer Rast eingeladen. Er ließ seine Frau Kaffee und Dhallë (Joghurt mit Wasser und Salz – sehr erfrischend) bringen und unterhielt sich mit mir in ganz passablem Deutsch.
Er erzählte, dass gegen Ende des zweiten Weltkrieges sogar durch dieses abgelegene Dorf deutsche Soldaten gekommen waren. Da die Bewohner sich rechtzeitig in der Bogova-Schlucht verstecken konnten, blieb es bei ein paar verbrannten Häusern. Der Ort Bogova sei erst zwanzig Jahre alt, entstanden durch Bauarbeiten für ein Wasserkraftwerk. Seine Tipps zur Abwehr aggressiver Hunde waren: In der Nähe von Herden laut rufen, um die Hirten aufmerksam zu machen, möglichst Rückendeckung suchen und Hunde mit Steinwürfen abwehren; mit einem Stock ginge es nicht so gut.
Auf der Wanderung durchquerte ich unter anderem ein sehr breites, zum Glück fast trockenes Wildbachbett und war fast immer auf unbefestigten Wegen unterwegs. Einige davon waren abenteuerlich. Siedlungen durchquerte ich selten; in einem Dorf aß ich zum ersten Mal eine Feige direkt vom Baum.
In Çorovodë nahm ich ein Zimmer im Hotel Osumi. Die Küche war nicht überragend: die Suppe kühl, knorpelig und mit ein paar Knochensplittern, das Steak zäh, aber geschmacklich ok. Auch alle anderen albanischen Suppen enthielten recht bissfeste Komponenten.
Nachdem ich mich erfrischt hatte, machte ich mit den frisch gewaschenen Sachen auf dem Leib einen Spaziergang durch das Städtchen. Die Kleidung war bald getrocknet. Viele Leute grüßten mich, etliche auch mit Handschlag. Einer fragte mich, ob ich Christ oder Muslim sei. Ich ging recht früh zu Bett, nahm aber noch den um 20:24 Uhr rufenden Muezzin wahr.
→ nächster Tag →