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stag = 139,16 sges = 1.746,17 km

t = 6:48:22 vmax = 58,3 km/h

Wetter: von früh bis jetzt schön, nicht zu heiß. An der Fähre ein kleiner Regenschauer.

5:40 wachte ich auf. Zum Packen brauchte ich recht lange, da ich das innen und außen feuchte Tarp abwischte und wie auch die nasse Bodenplane in der Sonne trocknen ließ.

Dann schob ich das bepackte Rad durch den feinen Kies, bis ich zu einer sechzig Zentimeter hohen Mauer kam, die fünfzig Meter entfernt vom Ufer parallel zu diesem verlief. Da ich das mühsame Schieben satt hatte, hob ich das Fahrrad auf die dreißig Zentimeter breite Mauerkrone und fuhr diese eiernd und balancierend entlang. Da ich darauf achtete, nicht von der schmalen Mauer zu stürzen, schenkte ich der restlichen Umgebung wenig Aufmerksamkeit. Plötzlich passierte ich einen Mann, der an die Mauer gelehnt auf dem Boden saß und seine Ziegen hütete. Wer von uns stärker erschrak, kann ich nicht sagen.

In Negotin, nach Vidin die letzte größere Stadt vor der Grenze, wurden viele Bauarbeiten ausgeführt, wie an etlichen anderen Stellen in Serbien auch. Wegen der Fuji-Reklame an einem Fotogeschäft fragte ich nach einem Ladegerät für meine Digicam. In dem Geschäft gab es leider keines, aber mir wurde ein nahe gelegener Laden empfohlen, der eines haben könnte. Ich klapperte einige Läden ab, die sich gegenseitig weiterempfahlen als sie sahen, dass sie mir nicht helfen konnten.

Dann kam ich in ein HiFi-Geschäft, in dem auch digitale Fotoapparate verkauft wurden. Die Verkäufer bedauerten sehr, mir nicht behilflich sein zu können, aber empfahlen ein Geschäft nebenan, wo ich möglicherweise fündig werden könnte. Einer der hilfsbereiten Verkäufer begleitete mich sogar zu diesem und einigen weiteren Geschäften und fragte die Leute in meinem Namen nach einem Ladegerät.

In einem Lädchen war "Chef" gerade nicht da, wie ein Angestellter sagte. Die aufgedonnerte "Sie" kam dann aber eine Treppe heruntergerauscht, schob sich brüsk an meinem Begleiter und mir vorbei, als ob wir unsere Überflüssigkeit fühlen sollten. Mein Begleiter hatte seine Frage noch gar nicht vollständig formuliert, als die Sie schon "No!" sagte. Er setzte noch einmal an - kaum, dass er den Mund geöffnet hatte, sagte sie "NO!" Halb amüsiert, halb beleidigt gingen wir wieder; draußen im Gang meinte mein Begleiter: "Bitch!". Ich konnte nur zustimmen.

Als letztes ging ich auf den Basar am Ende der langen Einkaufsstraße, der mir ebenfalls empfohlen worden war. Ich schaute mich um, fragte hier und da und fand zwar kein Ladegerät, aber eine junge Frau, die ein hervorragendes Englisch sprach. Sie half mir - leider wiederum vergeblich, bei der Suche. In der Stunde, die ich insgesamt damit verbracht hatte, war ich fünf oder sechs Leute begegnet, die ein gutes Englisch sprachen und mit denen ich einige interessante Gespräche führen konnte.

Am Ortsausgang hielt ich mit dem letzten Brot, der letzten Schokolade und den letzten Krümeln Müsli Mittag. Danach ölte ich Kette und Schaltung, letztere war weiterhin ziemlich daneben. Meist schmierte ich aller zwei Tage, wenn das Laufgeräusch zunahm; nach einem regnerischen Tag stets.

Während ich aß, fuhren ein Vater mit seinem Sohn die Straße in die Richtung, die ich dann auch nehmen würde und kamen etwas später zurück. Da fragte der Vater mich "Are you from England?". Wir unterhielten uns ein wenig hin und her, etwas deutsch sprach er auch. Gemerkt habe ich mir noch, dass er (auf englisch) sinngemäß sagte, dass die Mädchen dieses Landes für mich/ Deutsche nicht zu haben seien. Ich meinte nur, das sei mir egal, ich wolle Urlaub machen. Erst später fragte ich mich, ob er dies als Frage oder als Aufforderung verstanden haben wollte.

Etwa einen Kilometer weiter fand ich an einem abgebrannten Straßenrand eine vom Feuer leicht versengte Melone, innen war sie noch gut. Dummerweise brach ich das Cuttermesser ab, statt gleich Löffel für das Fruchtfleisch zu nehmen. In meinem großen Appetit hatte ich 1/4 - 1/3 der köstlichen Melone gegessen - zuviel. Die nächsten zwei Stunden konnte ich mich kaum rühren, Auf- und absteigen war sehr mühsam, das Radeln ging so lala. Bisher hatte ich mir den Genuss von Melonen verkniffen, da ich zum Einen keine ganze Melone kaufen wollte - auf einmal hätte ich sie doch nicht essen können, der Transport wäre schwierig gewesen. Zum Anderen musste ich mit meinem Geld haushalten, da ich keine EC-Karte mehr hatte, um mir Nachschub zu verschaffen.

Der letzte Ort vor dem Grenzübergang war wunderbar "authentisch". Allem Anschein nach war es ein echtes, sehr alt wirkendes Bauerndorf. Die Häuser waren zum größten Teil mit Lehm versehene Fachwerkbauten, deren sich etliche von schief nach schräg neigten. Auch die Scheunen waren krumm und schief mit einem luftig angelegten ersten Stockwerk: die Außenwände bestanden aus Latten oder Brettern, die im Abstand von etwa 5-10 cm angebracht waren. Leider leider habe ich im Ort nicht fotografiert. Nur am Ortsausgang machte ich ein Bild, auf dem außer dem Friedhof nicht viel zu sehen ist.

Als ich an die Haupstraße gelangte, die Richtung Grenze führen sollte, wusste ich nicht, ob ich rechts oder links zu fahren hatte, Wegweiser waren nicht vorhanden. Drei Arbeiter waren zu Gange, so fragte ich sie, in welcher Richtung Vidin/ Calafat lägen. Einer der Arbeiter ging zu dem Transporter und holte ein Schild und wies mir damit den Weg. Der Zufall warf mich beinahe um. 0o =) Sie schienen die letzten Schilder des Donauradwegs in Serbien aufzustellen - der Rest der Fahrradroute war bestens markiert.

An der Grenze nach Bulgarien fuhr ich an das erste Containerhäuschen rechts, reichte meinen Pass hinein - und denke nach einer Weile: das dauert aber lange. Auf einmal sah ich weiter vorn einen Grenzer in Uniform winken; ich solle zu ihm kommen. Jetzt erst nahm ich wahr, dass die Baracke, vor der ich stand, eine Versicherungsvertretung der UNIQA war. Sie verkaufte hier Reisekrankenversicherungen, die für die Einreise nach Bulgarien zwingend vorgeschrieben sind. Die gute Frau wollte partout nicht verstehen, dass ich bereits eine solche Versicherung habe und den Pass gern zurück hätte.

Dass ich diesen Wunsch etliche Stufen lauter auf deutsch und englisch wiederholte half auch nichts. Ein Mann, der für den Transit eine Versicherung wollte, holte seinen deutsch sprechenden Freund, aber auch das half nichts. Sie erklärten mir, dass Ausländer in Bulgarien laut Gesetz eine Krankenversicherung besitzen müssen - die Karte koste für sieben Tag nur fünf Euro - er habe bereits eine. "That's the game" (oder sagte er auf deutsch "So ist das Spiel"?). Dass ich einwandte, bereits eine Versicherung zu besitzen, überhörten sie einfach.

Ich ging dann mit dem Fahrrad zur richtigen Grenzkontrolle - die Männer riefen mir hinterher: "Passport!" - Ja-ach was?! Ein Grenzer holte seinen englisch sprechenden Kollegen. Er fragte als erstes nach meinem Pass, obwohl ich glaube dass er wusste, wie die Dinge standen. Er ging mit mir zurück zu der Versicherungstante und diskutierte mit ihr und stellte mir Fragen zu meiner Krankenversicherung und einem Nachweis.

Ich ging zum Fahrrad, das ich an der "richtigen" Grenze stehen gelassen hatte, holte mein Notizbuch mit Versicherungs- und Telefonnummer, dazu nahm ich noch das zweite Blatt der Buchungsbestätigung von Condor aus dem Brustbeutel. Darauf befand sich viel Schrift, etliche lange Zahlen und kein Condor- oder Flugzeuglogo. Die notierten Versicherungs- und Telefonnummern interessierten nicht, die Buchungsbestätigung akzeptierte der Grenzer als Versicherungsnachweis *hust*. Kurz darauf erhielt ich von der Versicherungstante meinen Pass zurück und bedankte mich überschwänglich bei dem Grenzer.

Der Ort nach der Grenze machte einen tristen Eindruck auf mich. Eine Frau fragte ich nach dem Weg, sie deutete in eine Richtung und schüttelte mit dem Kopf. Das verwirrte mich, bis mir einfiel, dass in Bulgarien das Kopfschütteln als Bejahung gilt. Die Landstraße Nr. 12 war mautpflichtig, aber für westeuropäischen Geschmack nicht von überragender Qualität. Wenige Kilometer nach Bregovo überholte mich ein PKW ziemlich flott, blinkte nach etwa 400 Metern rechts und fuhr rechts heran. Die Warnblinkanlage wurde angeschaltet, alle vier Türen gingen auf und vier Männer in Anzügen stiegen aus. Mir wurde leicht mulmig - oder wollten sie nur mit mir schwatzen? Nee, sie gingen alle zu dem lichten Streifen Birken, der entlang der Straße stand und verrichteten ihr kleines Geschäft. Als ich an dem Wagen mit offenen Türen und laufendem Motor vorbeifuhr überlegte ich, wie dumm die Herren aus der Wäsche schauten, würde ich mein Rad gegen das Auto tauschen. :-)

Etwas weiter, als es wieder bergauf ging, sah ich linkerhand drei Leute Heu auf einen Eselkarren laden, sie winkten mir freundlich zu, ich winkte zurück.

Bei der ersten schön schnellen Bergabfahrt wurde ich von einer doofen Wespe gestochen. Sie war gegen die linke Wade geprallt, hielt sich in den Haaren fest und stach zu. Ich wollte die schöne Abfahrt nicht unterbrechen, also begnügte ich mich damit, das Insekt vom Bein zu wischen. Der Buckel von dem Stich verschwand erst nach etwa zwei Wochen vollständig.

Nahe des Grenzübergangs am Fähranleger bei Vidin tauschte ich ein paar Euro in bulgarische Leu, um die Überfahrt in Landeswährung bezahlen zu können. Den Rest würde ich später in Bulgarien ausgeben können.

Es dauerte ziemlich lange, bis die Fähre kam. In der Warteschlange stand ein Auto mit deutschem Kennzeichen. Ich wollte mit der Frau etwas schwatzen, aber sie war ziemlich zugeknöpft. Später, als ich mit meinem Fahrrad herumstand und auf die Fähre wartete, kam ein Mann und sprach mich auf deutsch an - der Gemahl der Frau, die ich angesprochen hatte. Er war Türke, mit 16 Jahren nach Deutschland gekommen, lebte da seit 21 Jahren und erzählte mir seine Lebensgeschichte - auch auf der Fähre. Was gehe ich auch hin und spreche Leute in Autos mit Kfz deutscher Zulassung an... Während wir uns am Anleger unterhielten, kam der Mann vorbei, der Fahrscheine für die Fähre verkaufte. Mein rumänisches Geld reichte nicht so, dass ich doch in Euro zahlen musste. Nun hatte ich ein paar Euro in Münzen, die mir wohl keine Bank umtauschen würde - quasi nutzloses Geld. :( Die Fähre fand ich beeindruckend groß - eine Flussfähre diesen Ausmaßes hatte ich noch nicht gesehen.

Als ich in Rumänien nach der Grenze den Pass einpackte, wurde ich von zwei Jungen angebettelt. Hartherzig wie ich bin, gab ich ihnen nix. Calafat gefiel mir. Eine nette, saubere Stadt mit gemächlichem Lebenstempo - wie es im größten Teil Rumäniens noch zu finden ist.

In der erster Bank wollte die Angestellten kein Geld umtauschen. War es, weil sie mein Münzgeld sahen? In der zweiten wurden ebenfalls nur Scheine akzeptiert - und bitte saubere. Die vollgeschwitzten und vom Leder des Brustbeutels verfärbten fanden sie wohl unästhetisch.

Nun konnte ich meine nicht mehr vorhandenen Vorräte auffüllen. Ich kaufte Bananen, Brot, Wurst, etliche Tafeln Schokolade und ein paar Kekse. Ich setzte mich auf die Treppe des Lädchens und verzehrte ein halbes Pfund Kekse mit Banane - das erste Essen seit sechs Stunden. Dabei beobachtete ich das Treiben auf der Straße.

Von den anderen dort sitzenden Leuten verabschiedete ich mich mit "Ciao" und erhielt freundlich Antwort. Wir hatten uns (leider) nicht unterhalten, ich hatte aber die neugierigen/ interessierten Blicke gespürt, mit denen ich gemustert worden war. :)

Am Ortsausgang fragte ich ein paar ältere Herren nach dem Weg, den sie mir nach einer kleinen Diskussion untereinander wiesen. Die neu betonierte Straße blendete im hellen Sonnenlicht, der Belag wechselte bald zu normalem Asphalt und es standen auch wieder Bäume entlang der Straße. Leider nahm einige Kilometer nach Calafat die Qualität der Straße etwas ab, aber insgesamt war sie besser als bei der Planung daheim befürchtet.

Irgendwo lief mir ein Köter unangenehm dicht hinterher und ich befürchtete, er würde mir in Fuß oder Wade beißen. Also stoppte ich unvermittelt und brüllte ihn an, worauf er zur anderen Straßenseite lief. Als ich aber aufstieg und weiterfahren wollte, kam er wieder angerannt. Ich stieg wieder ab, er lief weg - und ich suchte nach passenden Steinen. Gerade hatte ich welche aufgelesen, als ein Auto vorüber fuhr und der Hund abgelenkt war. Ich ergriff meine Chance und radelte davon. Die Steine legte ich für den nächsten Verteidigungsfall auf den Packsack.

Das Radeln war göttlich. Etwa drei Stunden lang war ich mit einem Durchschnitt von 28 km/h direkt nach Osten unterwegs, der Rückenwind war wunderbar. In jedem Dorf, das ich durchfuhr, nickten, winkten und grüßten die Leute, was ich immer beantwortete. Nach einer Weile kam ich mir ein wenig vor wie ein Politiker auf Wahlkampftournee. (= Entlang der Straße standen vereinzelt eingezäunte Brunnen mit einer Haspel und Seil, aber ohne Gefäß. Einer, den ich mir näher anschaute, war allerdings vertrocknet.

Einen älteren Herrn, der in einem der Dörfer vor seinem Haus stand, bat ich, meine Wasserflaschen aufzufüllen. Er ging damit hinter das Haus und kam nach einiger Zeit wieder. Aus einer Gruppe von Frauen und Kindern, die ein paar Schritte weiter stand, kamen zwei kleine Mädchen (vielleicht 8 Jahre) angelaufen und sprachen mit dem Mann, während sie mich mit großen Augen anschauten - drollig. :-) Später ärgerte ich mich, dass ich ihnen nicht eine meiner Schokoladentafeln geschenkt hatte.

In Cârna, dem letzten Ort vor dem Schlafplatz hatte ich in einem der kleinen Läden, die es in jedem Dorf gibt, eine Flasche und eine Dose Bier gekauft. Die Summe wurde mir auf einem Taschenrechner gezeigt - 35 (oder 15) irgendwas. Als ich die Geldscheine herauszog und abzählte, winkte die Verkäuferin fast erschrocken ab und nahm sich 3,5 (oder 1,5)... Noch mehrmals stellte ich fest, dass mir in Rumänien die Summen ohne Kommastellen genannt wurden. Während ich das Bier einpackte, kam die Verkäuferin heraus und wollte die Flasche gegen eine Dose umtauschen - hatte sie Angst um den Pfand? Amüsiert stimmte ich dem Tausch zu

Der Schlafplatz am Lacul Bisteul war herrlich. Ein paar dutzend Meter östlich weideten einige Pferde, drei Hunde passten auf sie auf, Menschen sah ich keine. Ich dachte: solange die Hunde nicht herkommen, bleibe ich hier. Der mir naheste Hund blieb unbewegt liegen, der am weitesten entfernte kläffte eine ganze Weile. An dem Platz herrschte eine wunderbare Ruhe, obwohl es nicht still war. (Oder habe ich mir diese Ruhe nur nachträglich dazugedacht?) Jedenfalls habe ich diesen Ort als himmlisch in Erinnerung behalten. Der Wind rauschte im Schilf, flüsterte im Gras und flappte an den Rändern des Tarps. Von der Straße hörte man ab und zu leise das Klappern von Pferdehufen oder ein vorbeifahrendes Auto. Auf dem See und an dessen Ufern unterhielten sich Wasservögel.

Als ich im See beim Waschen war, nahm ich mit der Zeit ein leises, aber stetiges Summen wahr, von dem ich dachte, es werde vom Wind im Schilf verursacht. Wieder die Wiese betretend wurde das Summen lauter - waren es abend/nachtaktive Insekten? Der See war - soweit ich hinein lief - nicht sehr tief. Man musste acht geben, dass man nicht umknickte oder sich gar einen Knöchel brach. Anscheinend schwankt die Größe des Sees innerhalb größerer Zeiträume beträchtlich, denn wohin ich auch ging, bestand der Boden des Sees aus ehemals getrockneten und gerissenen Schollen, die sich wieder unter Wasser befanden, ihre Formen aber behalten hatten. Auf den größeren der Schollen konnte man stehen, wenn man still stand, aber mit der Zeit gaben sie nach. Dadurch wurde das Waschen eine recht mühsame Angelegenheit.

Im Tarp schmauste ich: Wurst mit Brot und Knoblauch, als Nachtisch Schokolade, eine Banane und ein paar Kekse. Zur Krönung das Tages gönnte ich mir ein Bier. Hach, wie göttlich fühlte ich mich! Könnte dieser Moment nicht ewig währen?

Tagebuch schrieb ich um 21:22 "meiner" Zeit, also 22:22 Ortszeit. Schon vor einigen Tagen fiel mir auf, dass die Sonne früher unterzugehen schien - ich fuhr ja die ganze Zeit Richtung Osten.