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  • Wetter: sonnig; am Morgen angenehm, später heiß, nachmittags Gewitter

    Etwa 0600 wacht ich auf, nach der Morgentoilette begann ich zu packen. Gegen 0645 waren auch Lolo & Eric zu sehen. Irgendwann waren sie mit ihren Fahrrädern weg, ich gegen 0730 mit meinem auch. Ich fuhr durch Grudka Richtung weißrussische Grenze. Nach kurzer Zeit stand ein "Befahren verboten"-Schild an der Straße, von dem ich immerhin "Nie ... rowerow ..." ("Nicht ... Fahrrad …") übersetzen konnte. Da ich noch diese Woche wieder auf Arbeit erscheinen musste hatte ich wenig Lust, mich auf möglicherweise längerfristige Abenteuer im Grenzgebiet einzulassen.

    Ich kehrte als um und bog in den ersten Waldweg Richtung Westen ein. Es ging sehr lang geradeaus, auf den folgenden Wegen ebenfalls. Die Insekten, vor allem die Bremsen, waren heute wieder wahnsinnig zudringlich. Wenn ich eine Pause machte, versuchte ich, mit allen Körperteilen zu wackeln, um diese Viecher davon abzuhalten, sich niederzulassen und zu beißen. Das Kartenlesen wurde dadurch doch etwas schwierig. Als der Wald etwas lichter wurde und man an sonnigen Fleckchen halten konnte, hielten sich dort die Bremsen etwas zurück.

    Die Schaltung begann auch wieder zu mucken. Wenn ich hinten auf das größte Ritzel schaltete, schleifte der Kettenspanner in den Speichen. Dieses Problem löste ich durch Kaltverformung.

    In der Kirche Boćki machte ich eine reichliche Stunde Pause. Ich nahm in dem in den herrlich kühlen Vorraum Platz und döste vor mich hin, vermutlich schlief ich auch etwas. Dann setzte ich mich nach draußen um zu essen. Zwei Mädchen, eins etwa 18, das andere 10, kamen vorbei und schauten groß. Später war aus der Kirche leiser Gesang zu hören. Ich ging sachte wieder hinein und setzte mich. Die Mädchen sangen noch ein Lied, bevor sie gingen. Ich sagte auf Polnisch Danke. Da mir ein Kloß im Hals saß, war es vermutlich schlecht zu verstehen.

    Bei Moskiewce verfuhr ich mich irgendwie. Ich machte unmerklich einen großen Bogen und stand auf einmal in einem Dorf, das ich bereits durchfahren hatte. Das nächste durchquerte ich auch zum zweiten Mal, folgte aber nicht der abbiegenden Asphaltstraße und war wieder richtig unterwegs.

    Später fuhr ich durch das Dörfchen Spieszyn. Irgendwie kam es mir unsympathisch vor. Die Häuser fand ich unansehnlich, die Straße bestand aus holprigen Pflastersteinen mit Sand darauf, am Ende des Ortes war sie nicht mehr befestigt. Die sichtbaren Einwohner sahen unsympathisch aus und hätten teilweise Nachkommen Quasimodos sein können. Jaja, ich weiß, dass man nicht nach dem Äußeren gehen sollte. Diese Beobachtungen stellte ich an, bevor ich bemerkte, dass ich falsch (beziehungsweise nicht richtig) abgebogen war.

    Der Weg führte zu zwei Gehöften und wurde immer schlechter, bis er wirklich furchtbar war und schließlich auf einer Weide endete. Ich schob das Fahrrad über die Weide und die angrenzende Wiese mit hohem Gras. Mich hatte ein Schwarm Bremsen begleitet, die Insekten schwärmten um die Hände, im Windschatten der Beine und manchmal in der Nähe des Gesichts. Wegen des miesen Weges konnte ich ihnen nicht davonfahren, anhalten hätte auch nichts gebracht. Hier war ich endlich die Bremsen los und konnte verschnaufen. Am nahen Waldrand standen ein paar Reiher, die sich wohl gestört fühlten und davonflogen.

    Westlich - also sogar in der richtigen Richtung - waren Gebäude zu sehen, die ich als mein nächstes Ziel anvisierte. Es gab wieder eine Art Feldweg, die Gebäude entpuppten sich als Kuhstall, weiter entfernt lag das nächste Dorf. Ich überlegte schon, bei dem Stall zu bleiben, da sich ein Gewitter schon lange ankündigte. Ich fuhr aber doch weiter Richtung Dorf.

    Der Feldweg führte durch einen Bauernhof, wo mich eine Frau ansprach (oder ich sie - weiß nicht mehr genau). Meine paar Brocken Polnisch brachten offenbar sie zu der Überzeugung, dass ich genug Ahnung von dieser Sprache habe, um den nun folgenden Wortschwall zu verstehen. Mein "niema romzumiem" klang vermutlich auch nicht überzeugend. Schließlich zückte sie ein Schnurlostelefon, rief jemanden an und zeigte mir ein Haus, zu dem ich fahren solle - ihre Tochter sei dort.

    Ich folgte der Anweisung und traf mit den ersten Regentropfen bei dem Haus ein. Ich setzte mich zu den vier Mädchen in den Pavillon, wo wir relativ geschützt waren. Wir wechselten die ersten Worte, ich fragte, ob ich hier schlafen könne; ein Mädchen zeigte auf ein Zelt im Garten. Ich hatte nichts dagegen und bejahte. Geistig schloss ich mit dem heutigen Tag bereits ab und freute mich auf eine durchaus möglich erscheinende Dusche. Da Regen und Wind immer ärger wurden und auch in den Pavillon vordrangen, rannten wir ins Haus. Ich verzog mich erst einmal ins Bad und machte mich frisch.

    In der Stube wurde mir dann zu trinken angeboten und gefragt, was ich gern essen möchte. Ein paar Sandwiches fand ich als Angebot sehr in Ordnung. Während eins der Mädchen sich darum kümmerte, unterhielten wir anderen uns auf englisch über mein Woher und Wohin, später auch über die Mädchen, von denen zwei noch zur Schule gingen, eines studieren wollte und eine in der Ausbildung war. Nachdem der Regen vorüber war, ging es wieder nach draußen

    Das Gespräch verebbte langsam. Ich wurde gefragt, was denn meine Pläne für heute seien. Ich schaute kurz verdutzt, dann sagte ich: "Eine Dusche, essen und schlafen." Hm. Das war wohl nicht ganz die Antwort, die man erwartet hatte. Ich fragte also ganz unverblümt, ob ich hier übernachten könne. Sie hatten mir schließlich das Zelt, so meine Meinung, für diese Nacht angeboten. Jetzt gab es eine aufgeregte Diskussion unter den Mädchen, es wurde herumtelefoniert, man unentschlossen. Eine stark erkältete Cousine gesellte sich noch zu der Gruppe, drei Mädchen gingen ins Haus - wollten sie telefonieren?

    Die Gesprächsversuche gerieten nun etwas einsilbig. Irgendwann war ich das Herumsitzen leid. Ich schrieb bisschen Tagebuch, füllte die Wasserflaschen (hier würde wohl nichts werden mit einer Übernachtung), schaute nach dem Logger. Die Akkus waren leer, dafür war er voll mit halbflüssiger Schokolade, wie einiges andere auch. War wohl warm gewesen heut. Ich beseitigte die Sauerei, dann ging ich zu den Mädchen im Haus und fragte nochmal ganz konkret: ist eine Übernachtung möglich - hier oder irgendwo im Ort?

    Die Antwort war ein Nein durch die Blume: Die Eltern des Mädchens, in dessen Haus wir waren, seien weit weg; bei der Großmutter der anderen, die sie gerade besuche, sei kein Platz.

    Irgendwie kann man das schon verstehen: Kleines Dorf, jeder weiß alles vom Andern - wie sieht das denn aus, wenn vier-fünf Mädchen einen wildfremden, etwas unzivilisiert aussehenden Mann bei sich übernachten lassen. Ich sagte also, dass ich dann weiterfahre (es war schon 1900 durch). Die Mädels waren plötzlich wieder ganz fidel, ich machte ein Abschiedsfoto und fuhr weiter.

    Nach einer Viertelstunde bog ich im übernächsten Ort bei einem Schild "Agroturystyka" ab. Übernachtung sei möglich - Camping auch. Toilette und Dusche wurden mir in einem Bungalow gewiesen, letztere war ziemlich schimmlig. Eine Polin, die hier zu Besuch war, sprach französisch, sie hatte in Brüssel als Dolmetscherin gearbeitet. Nach dem Training in Białowieża konnte ich mich halbwegs mit ihr verständigen. Bis gegen 2200 wurde lautstark an einem Anbau gearbeitet.

    Heute war ich wieder viele kleine und unbefestigte Straßen gefahren. Gefühlt waren es 30% der Strecke; 45% der Zeit waren die Dirtroads ziemlich mies. Durch dies und die Hitze war ich ziemlich geschafft.

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