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  • Wetter: wolkenlos, heiß

    0445 schaute ich das erste Mal auf die Uhr, nachdem ich schon länger wach war. Nachdem ich kurz für kleine Jungs war, schlief ich noch bis 0600.

    Vor der Abfahrt schaute ich bei dem Haus vorbei und verabschiedete mich kurz. Auf dem Weg zur Hauptstraße sah ich: wäre ich gestern auf der furchtbar zerfahrenen Piste geblieben und nicht abgebogen, hätte ich nach rund 200 Metern den Weg erreicht, auf dem ich jetzt fuhr. Mist.

    Ganz kurz kam mir der Gedanke, noch einmal nach dem Navi zu schauen, ehe er von dem irrationalen Grauen vor dem Wald verdrängt wurde.

    An der Hauptstraße stand ein öffentliches Gebäude. Hier wollte ich mein grünes Wasser gegen besseres tauschen. Der Tausch klappte, aber die Wasserfarbe blieb die selbe.

    Nachdem ich mir am Morgen gezwungen hatte, etwas vo dem einst so lecker schmeckende Müsli hinunterzuwürgen, hatte ich es bald satt. Es war ziemlich warm, ich hatte kein Navi mehr, ich war noch ziemlich knülle vom gestrigen Tag und ich hatte Appetit auf irgendwas Herzhaftes. Zum Geier, ich habe Urlaub! Ich will meinen Spaß haben, ich will kein Wettrennen fahren, ich will nicht fasten, ich will mich nicht ökologisch besonders wertvoll ernähren! Gegen elf Uhr hielt ich an einer Raststätte und aß zu Mittag. Lettische Währung hatte ich noch nicht besorgt, also zahlte ich mit Plastikgeld, pfeif auf die Gebühren.

    Nach dem Essen sah die Welt schon besser aus, aber irgendwie ging es trotzdem ziemlich mühsam vorwärts. Zur Rechten sah ich einen See liegen und dachte: 'Wäre das schön, jetzt baden zu können.' Hm, wer hinderte mich denn? Keiner? 1220 war ich an dem See, nahm ein ausführliches Bad und ließ mich an der Luft trocknen, wobei ich vor mich hin döste. Eineinhalb Stunden später fuhr ich weiter.

    In Riga tauschte ich in zwei Banken Geld um. In einem enormen Einkaufszentrum befand sich ein großes Restaurant mit drei offenen Küchen. Als erstes fragte ich nach einer Toilette. Ein Angestellter wollte mich in Richtung der Läden schicken, seine Kollegin wies mir aber den Weg zum WC der Gaststätte. Nachdem ich mich frisch gemacht hatte, tafelte ich fürstlich. Nach Vorspeise, Hauptgang, Nachtisch und grünem Tee ging es mir sauwohl. Die Bedienung war wie das Essen sehr gut. Dann kaufte ich Lebensmittel, Postkarten und ein Buch (Paolo Coelho - By the river Piedra I sat down and wept). An einer Kasse beobachtete ich, wie die Kassiererin abgelöst wurde. Ein Security-Mann begleitete sie und ihren Kasseneinschub mit Bargeld.

    Nachdem ich alles besorgt hatte, radelte ich Pi mal Daumen nach Nordwesten. Auf der Karte war dort an der Ostseeküste ein Campingplatz eingetragen. Irgendwie war ich aber zu früh zu weit nach Norden geraten. Als ich die Karte ausführlich studierte, hielt ein Kleinwagen mit Polizeischriftzug. Der junge Polizist wollte meinen Pass sehen. Er nahm ihn und machte mit zittrigen Händen ein Digitalfoto davon. Über Funk schien man ihm mitzuteilen, dass ich vermutlich harmlos bin, jedenfalls gab er mir meinen Pass zurück. Auf meine Frage hin sagte er, dass jemand mit einem grünen T-Shirt ein Fahrrad gestohlen habe. Er erlaubte mir, ein Foto von ihm zu machen - aber bitte schnell, er habe keine Zeit. (Ob wirklich jemand ein Tourenrad mit fast fünfzig Kilo Gepäck klaut und damit dann einfach durch die Gegend fährt beziehungsweise kartenlesend in ihr herumsteht?)

    Ich fuhr weiter in die falsche Richtung vorbei an einer Werft, es ging nach Nordosten um ein Gewässer herum. Ich hoffte, irgendwo an das Wasser zu gelangen um dort zu übernachten, aber das Glück war mir nicht hold. Als ich wieder einmal auf die Karte schaute, fuhren zwei Radsportler an mir vorbei. Ich machte, das ich hinterherkam und holte sie nach ein paar Kilometern ein. Ich fragte sie nach irgendeiner Möglichkeit zum Übernachten. Nach einigem Hin und Her war begleiteten sie mich bis an einen Weg, der zum Ostseestrand führte, an dem ich campen konnte. Wir verabschiedeten uns, ich dankte von Herzen. Als ich den Weg über die Dünen herunterkam, bot sich mir eine entspannende Szene, die ein schöner Kontrast zum gestrigen Abend war: die Sonne stand schon recht tief über der See, an einer Holzhütte, die als Bar diente, wurde Reggae-Musik gespielt, der Strand war recht belebt.

    In den Dünen suchte ich mir zwischen den Kiefern einen ebenen Fleck und befreite ihn mit einem als Besen dienenden Ast von Kiefernzapfen. Nachdem ich mein Gepäck verstreut, eine Schnur gespannt, die Matte ausgebreitet und das Moskitonetz befestigt hatte, war das Lager fertig. Ich ging mit Waschzeug zum Meer für den Rest des obligatorischen Abendprogramms, danach verfügte ich mich zur Bar. Dort genehmigte ich mir Kwas und Bier. Mit etlichen der jungen Leute, unter anderem Peter, Sintija und Ieva konnte ich mich interessant unterhalten. Zum Beispiel war nicht nur ich der Meinung, dass es hier enorm viele Mücken gab, auch die Ortsansässigen fanden dies. Auf meine Frage nach den heutigen Temperaturen wurde mir gesagt, dass es um die 40°C gewesen sein sollen. Na, jetzt wusste ich, warum es heute nicht so recht voran ging.

    Peter war zweimal als Licht- und Tontechniker auf dem Oktoberfest und sprach deutsch. Er erzählte, dass es für die Veranstalter günstiger war, Leute und Technik aus Lettland zu holen als sie vor Ort zu engagieren.

    Sintija machte ihren Abschiedsbesuch. Sie würde nach London zu den Eltern ziehen und studieren. Ihre Eltern wohnen dort, weil es (wegen der Wirtschaftskrise?) in Lettland keine Arbeit für gut Ausgebildete gibt.

    Peter grillte Würstchen für alle, später wurde zur Musik getanzt, zuletzt auch auf den Tischen. :) Mitternacht, das heißt um 0100 Ortszeit, war Feierabend. Vorm Schlafengehen vergaß ich, die Kontaktlinsen herauszunehmen.

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